Das ist Kunst
Auf ihrem Album „Fossora“verweigert sich Björk allen Konventionen, gibt aber dem Song wieder eine Chance.
Natürlich ist nichts, was die isländische Pop- und Gesamtkünstlerin Björk in Musik gießt, auch nur annähernd einfach angelegt, sondern auf fantastische Weise vielschichtig, doppelbödig, weitund weltläufig, oft ein multimediales Gesamtkunstwerk. Zuweilen sind diese polyphonen Soundwelten aber ein recht anstrengendes Hör-Erlebnis.
Möglicherweise hat das die 56 Jahre alte Musikern, Komponistin und Schauspielerin auch selbst gespürt. Ihr neues, zehntes Album mit dem Titel „Fossora“ist zwar alles andere als leicht zugänglich, wieder der kreativen Bipolarität verpflichtet, und das von
ihr selbst „mushroom album“bezeichnete Werk wird von einem kompliziert verästelten PilzNetzwerk durchzogen, aber am Ende dieser Leitungen steht wieder der Song. Und das Lied, so atonal und sperrig es auch sein mag, ist das Fundament des Ganzen – und nicht nur Beiwerk.
Die textliche Grundierung des Albums ist in Moll gehalten: Björks Mutter starb 2018 nach langer Krankheit. Musikalisch ist es wieder ein wilder Ritt durch Landschaften, von denen man gar nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Posaunen und Chöre wirbeln gleich den Opener „Atopos“hoch, es folgen knackende Beats und hypnotische Breaks, dann wieder füllen üppige Orchester-Arrangements den Raum.
Das ist exzessiver ArtPop in Reinkultur, der sich meist allen Konventionen verweigert. Eine fesselnde, betörende Zumutung, eine Herausforderung, ein Wagnis, zwischendurch ein Ärgernis. Das ist Kunst.