Zärtliche Dystopie
„Hirschfell“, ein intimer Blick auf das finstere Morgen.
Immer öfter ist von jungen Menschen zu hören, dass sie Zweifel haben, ob es gut ist, ein Kind in diese Welt zu setzen. Die niederländische Autorin Anna Carlier hat diese Frage verkehrt und imaginiert: Was wäre, wenn doch?
Ihre Protagonistin (Nataya Sam) tritt in Dialog mit der ungeborenen Tochter und erzählt ihr vom apokalyptischen Lebensszenario, das sie erwarten könnte. Das „du“, das sonst gerne ein „man“ersetzt, wird hier zur direkten Anrede, was dem Text eine faszinierende Tiefe verleiht. Die beschriebene Welt ist von Wetterextremen geplagt, die Tochter wird in der Imagination dem egoistischen Lebenskampf mit voller Härte ausgesetzt. Das ist brutal, aber auch sorgenvoll, mitunter zärtlich zu verstehen.
In der Regie von Sandra Schüddekopf entfaltet die Bühne (Lisa Horvath) im Wechselspiel mit dem Sounddesign (Rupert Derschmidt) immer wieder ein störrisches Eigenleben. Beklemmend. Aber schön.
„Hirschfell“: 1. und 12. bis 14. 10., 20 Uhr, Theater am Lend, Graz.