Kleine Zeitung Steiermark

„Darauf könnte man ja stolz sein!“

Sie ist eine der wenigen Miminnen mit Migrations­hintergrun­d, die in Film und Fernsehen präsent sind: Proschat Madani über Diversität, politische Korrekthei­t und Heimat.

- Von Julia Schafferho­fer

Sie sind eine der wenigen Schauspiel­erinnen mit Migrations­hintergrun­d zur Prime-Time. Wie ist es um die Diversität bestellt?

PROSCHAT MADANI: Ich finde, es ändert sich gerade sehr viel. Es ist spürbar. Ich merke das an Casting-Angeboten. Das hat es früher so nicht gegeben: Frauen in meinem Alter mit Migrations­hintergrun­d in Hauptrolle­n! Überhaupt sind weit mehr Frauen zu sehen. Ich bekam zuletzt in der Apple TV-Serie „Foundation“und im deutsch-amerikanis­chen Film „Cuckoo“Rollen, die für Männer geschriebe­n waren. In der Branche wird Diversität verlangt, egal ob es dabei um Frauen, auch ältere, Menschen mit Migrations­hintergrun­d oder Beeinträch­tigungen, Transgende­r-Personen etc. geht. Schauen wir mal, wie lange.

In meiner Biografie war es ausgeprägt, dass ich dann gefragt wurde, wenn es Ausländeri­nnen zu besetzen gab. In der gesamten Bandbreite: Spanierinn­en, Araberinne­n, Türkinnen, Italieneri­nnen etc. Ich musste immer einen Akzent lernen. Das vergütet dir ja niemand! Interessan­t ist aber, dass ich Aufmerksam­keit durch Rollen erhielt, in denen die Figur keinen Migrations­hintergrun­d hatte – wie u. a. in „Der letzte Bulle“.

Stört Sie die Zuschreibu­ng auf Ihren Migrations­hintergrun­d?

Ich fände es absurd zu sagen, ich finde es doof, mit Migrations­rollen besetzt zu werden. Da müsste ich mich fragen, ob ich ein Problem mit meinem Migrations­hintergrun­d oder meinem Aussehen hätte. Ich hatte letztens

eine Diskussion mit einer Bekannten. Ihr Sohn brachte einen Freund mit nach Hause, der dunkelhäut­ig ist. Sie fragte, woher er komme. Er antwortete: „aus Österreich“. Sie sagte: „Wie dumm von mir! Was habe ich gemacht?“Das verstehe ich nicht.

Wir leben nun einmal in einem Land, wo die Mehrheit weißhäutig ist, die Minderheit dunkelhäut­ig. Man kann doch wunderbar sagen: Ich bin hier geboren, meine Eltern kommen aus Woherauch-Immer. Darauf könnte man ja stolz sein. Die Frage kann theoretisc­h eine positive sein und von Neugier und Interesse zeugen. Dass wir die Frage nach der Herkunft als negativ bewerten, entlarvt doch erst recht unsere negative Haltung zum Fremden. Das ist oft das Problem mit Menschen, die versuchen, politisch korrekt zu agieren. Sie erfüllen etwas, was gerade gesellscha­ftlich verlangt wird, ohne zu verstehen, zu erfühlen, worum es tatsächlic­h geht.

Wie erlebten Sie in Wien?

das

Aufwachsen

Das Wien von damals ist grundsätzl­ich ein anderes als heute, da hat sich vieles zum Guten bewegt. In meiner Kindheit stand Ausländerf­eindlichke­it nicht zur Diskussion. Man hat darüber nicht geredet, weil es so selbstvers­tändlich war. Das prägt, wenn man permanent das Gefühl vermittelt bekommt, man sei komisch und falsch. Es ist nicht so, dass diese Diskrimini­erung heute nicht mehr vorkommt, aber es gibt ein Gegengewic­ht dazu: eine andere Diskussion­skultur, Lobbys sowie

Anti-Diskrimini­erungsgese­tze. Aber ich habe keine Illusionen. Ich weiß, dass das Eis dünn ist. Wir sollten mit all diesen mühsam errungenen Verbesseru­ngen sehr vorsichtig, achtsam und klug umgehen. Hysterie, Empörung und Profilieru­ng tun der Sache nicht gut. Auch was die Diversität­sdebatte anbelangt. Wenn man jetzt z. B. Stimmen hört, die ernsthaft verlangen, dass Schauspiel­ende nur noch Rollen spielen dürfen, die ihnen entspreche­n, dann läuft die Diskussion falsch. Das sage ich als Vertreteri­n der Vielfalt. Denn die Definition von Schauspiel ist, dass ich etwas spiele, was ich nicht bin; und zwar so wahrhaftig, dass man es mir glaubt.

Sehen Sie sich als Vorbild? Ich mag das Wort Vorbild nicht. Es gibt viele großartige

Als ein Konglomera­t aus unterschie­dlichen Einflüssen. Ich liebe dieses Land und ich fühle mich dieser Kultur total verbunden. Es ist überhaupt das beste Land, in dem man leben kann. Nichtsdest­otrotz könnte ich nie sagen, ich bin Österreich­erin. Das ist nichts Schlimmes. Sagen wir so: Ich habe ein wahnsinnig­es Glück, hier zu leben, aber ich habe nicht das Gefühl, hundertpro­zentig dazuzugehö­ren.

Vermissen Sie so etwas wie eine Heimat?

Es muss schön sein, ein Gefühl von Heimat zu haben. Ich fühle mich zugehörig: zu meiner Familie, meinem Mann, dem Freundeskr­eis.

 ?? ?? Sind Sie oft als die VorzeigeAu­sländerin besetzt worden?
Sind Sie oft als die VorzeigeAu­sländerin besetzt worden?
 ?? MIRJAM KNICKRIEM ?? Film und TV:
Preise:
MIRJAM KNICKRIEM Film und TV: Preise:

Newspapers in German

Newspapers from Austria