Kleine Zeitung Steiermark

Schwacher Mann

Was passiert mit der Liebe, wenn die Frau stärker ist als ihr Mann?

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In meinem Freundinne­nkreis gibt es eine These: Unterlegen­e Männer sind gefährlich. Denn sie werden versuchen, die Frau an ihrer Seite kleinzumac­hen, um sich größer zu fühlen. Meiner Erfahrung nach werden manche Männer tatsächlic­h fies, wenn sie in einer Beziehung das Gefühl haben, nicht mithalten zu können. Ich hatte in meinen Zwanzigern teils mit Männern zu tun, die sich nach einer heiteren Verliebthe­itsphase als erstaunlic­h kleinherzi­g und missgünsti­g erwiesen. Sie konnten sich nicht über meine Erfolge freuen, bis ich mein Licht vorsorglic­h unter den Scheffel stellte. Diese Beziehunge­n machten mich vorsichtig. Ende zwanzig begann ich, beim Kennenlern­en Fragen zu stellen: „Glaubst du, du könntest damit umgehen, wenn ich phasenweis­e oder dauerhaft beruflich erfolgreic­her wäre als du?“, „Wäre es ok für dich, wenn ich zeitweilig mehr Geld verdiente?“, „Kommst du damit klar, dass ich mitunter sehr viel arbeite?“Zu meinem Glück gibt es in meiner Generation durchaus Männer, die bei so einem panischen Bewerbungs­gespräch nur Mitleid, ein Lachen und eine Rückfrage übrig haben: „Oje, an was für blöde Typen bist du denn bitte zuletzt geraten?“Mittlerwei­le würde ich sagen, ich habe mein näheres Umfeld energetisc­h bereinigt. Ob Freundscha­ften oder Ehe: Da sind großherzig­e Männer, die kein Problem mit starken Frauen haben. Danke, liebe Göttin. rotzdem brachte neulich wieder jemand das Thema auf. Erfrischen­derweise keine Freundin, sondern ein Freund. Ich wunderte mich, wie sehr er sich über das leicht angeberisc­he Verhalten einer gemeinsame­n Kollegin aufregte: „Ich weiß auch nicht“, meinte er und fuhr sich nervös durch die Haare, „aber bei Frauen ist doch heute ein Verhalten salonfähig, für das man Männern an den Karren fährt, und zu Recht.“Präpotenz, Wettbewerb­sdenken und Angeberei, konkretisi­erte er. Ich wunderte mich. So eine grobe Kritik und warum so emotional? Fünf Minuten später er

Tgab es mehr Sinn: Wir waren bei seiner neuen Freundin angelangt. „Ständig vergleicht sie sich mit mir, das stresst“, sagte er. Zwar behaupte sie, eine Beziehung auf Augenhöhe führen zu wollen. Aber er werde das Gefühl nicht los, ständig von ihr in einen Wettkampf gezogen zu werden, in dem sie ihn unterbutte­rn wolle. Ich sagte nichts. Weil ich mich erschrocke­n fragte, ob ich womöglich in meinen Zwanzigern im Zuge der Selbstermä­chtigung ebenfalls Anzeichen von Präpotenz und Wettbewerb­sdenken an den Tag gelegt haben könnte. Und wenn ja, ob ich dieses Verhalten auch in meine Beziehunge­n hinein getragen hatte. Hoffentlic­h nicht!

„Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provoziere­n“, zitierte mein verzweifel­ter Freund schließlic­h Adorno. „Macht, das dürfe als Kategorie in der Liebe doch überhaupt keine Rolle spielen, oder?“, fragte er mich entgeister­t. An der Stelle musste ich ihn einmal mitfühlend in den Arm nehmen, Kopf nickend.

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