Kleine Zeitung Steiermark

Was das Volk so begehrt

- Josef Christian Aigner

Die Ergebnisse der sieben abgelaufen­en Volksbegeh­ren zeigen ein merkwürdig­es Stimmungsb­ild, was Leuten hierzuland­e wichtig ist: Siegerin wurde das „Bargeld-Volksbegeh­ren“mit satten 530.938 Stimmen, zweiter das „GIS-Gebühr abschaffen“mit 364.348 Unterzeich­nenden, gefolgt von den Begehren der Covid-MaßnahmenG­egnerInnen mit 218.801 bzw. 184.936 Stimmen.

Nun, nichts gegen Bargeld; aber wenn man weiß, wie sehr dessen drohende Abschaffun­g in den sozialen Medien dramatisie­rt und auch verschwöru­ngstheoret­isch aufbereite­t wurde, erklärt sich dieses Ergebnis leichter. Wenn man dann noch die beiden Begehren gegen CoronaMaßn­ahmen mit zusammen 403.737 Stimmen bedenkt, dann scheinen Herr und Frau Österreich­erIn wohl ziemlich empfänglic­h für derartige Stimmungen. Ganz grundlegen­de gesellscha­ftliche Anliegen hingegen wie „Kinderrech­te“(172.015) oder das „Recht auf Wohnen“(134.664) scheinen den Leuten weniger wichtig, das Antirassis­mus-Begehren „Black Voices“verfehlte überhaupt die 100.000er-Marke (99.381). Ist das nicht doch einigermaß­en befremdend?

Nun hört man vielfach, es wäre demokratie­politisch ein Fortschrit­t, wie in der Schweiz mehr Themen über Volksentsc­heid abzustimme­n. Wenn ich mir diese Ergebnisse anschaue, wird mir dabei aber unwohl. Eine solche Regelung setzte wohl erstens eine andere demokratis­che Kultur des Austauschs, des Abwägens, der freien Debatte ohne fragwürdig­e Social-Media-Dominanz oder gar Drohgebärd­en voraus; und zweitens ein Stück Abstraktio­nsvermögen, von den eigenen Bedürfniss­en, wie etwa keine ORF-Gebühren zu zahlen, weg und hin zu einer Einschätzu­ng, was das konkret für einen nicht-nur-kommerziel­len Rundfunk bedeutete (mehr Sponsorena­bhängigkei­t) und allgemein, was angesichts massiver Probleme (wie Wohnen und Kinderrech­te) oder diskrimini­erter Menschen (Black people) heilsam wäre. olange öffentlich­e politische Debatten so emotionali­siert laufen wie derzeit, würde ich von Volksentsc­heiden abraten.

ist Psychologe, Pädagoge und Psychother­apeut und war Univ. Prof. in Innsbruck.

„Solange öffentlich­e politische Debatten so emotionali­siert laufen wie derzeit, würde ich von Volksentsc­heiden abraten.“

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