Was das Volk so begehrt
Die Ergebnisse der sieben abgelaufenen Volksbegehren zeigen ein merkwürdiges Stimmungsbild, was Leuten hierzulande wichtig ist: Siegerin wurde das „Bargeld-Volksbegehren“mit satten 530.938 Stimmen, zweiter das „GIS-Gebühr abschaffen“mit 364.348 Unterzeichnenden, gefolgt von den Begehren der Covid-MaßnahmenGegnerInnen mit 218.801 bzw. 184.936 Stimmen.
Nun, nichts gegen Bargeld; aber wenn man weiß, wie sehr dessen drohende Abschaffung in den sozialen Medien dramatisiert und auch verschwörungstheoretisch aufbereitet wurde, erklärt sich dieses Ergebnis leichter. Wenn man dann noch die beiden Begehren gegen CoronaMaßnahmen mit zusammen 403.737 Stimmen bedenkt, dann scheinen Herr und Frau ÖsterreicherIn wohl ziemlich empfänglich für derartige Stimmungen. Ganz grundlegende gesellschaftliche Anliegen hingegen wie „Kinderrechte“(172.015) oder das „Recht auf Wohnen“(134.664) scheinen den Leuten weniger wichtig, das Antirassismus-Begehren „Black Voices“verfehlte überhaupt die 100.000er-Marke (99.381). Ist das nicht doch einigermaßen befremdend?
Nun hört man vielfach, es wäre demokratiepolitisch ein Fortschritt, wie in der Schweiz mehr Themen über Volksentscheid abzustimmen. Wenn ich mir diese Ergebnisse anschaue, wird mir dabei aber unwohl. Eine solche Regelung setzte wohl erstens eine andere demokratische Kultur des Austauschs, des Abwägens, der freien Debatte ohne fragwürdige Social-Media-Dominanz oder gar Drohgebärden voraus; und zweitens ein Stück Abstraktionsvermögen, von den eigenen Bedürfnissen, wie etwa keine ORF-Gebühren zu zahlen, weg und hin zu einer Einschätzung, was das konkret für einen nicht-nur-kommerziellen Rundfunk bedeutete (mehr Sponsorenabhängigkeit) und allgemein, was angesichts massiver Probleme (wie Wohnen und Kinderrechte) oder diskriminierter Menschen (Black people) heilsam wäre. olange öffentliche politische Debatten so emotionalisiert laufen wie derzeit, würde ich von Volksentscheiden abraten.
ist Psychologe, Pädagoge und Psychotherapeut und war Univ. Prof. in Innsbruck.
„Solange öffentliche politische Debatten so emotionalisiert laufen wie derzeit, würde ich von Volksentscheiden abraten.“
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