Britischer Finanzschreck
Schatzkanzler schaffte es in vier Wochen, Märkte in Panik zu versetzen.
Kwasi Kwarteng, seit knapp vier Wochen Schatzkanzler Großbritanniens, findet sich bereits in einem politischen Sturm. Auf dem Konservativen Parteitag in Birmingham, der gestern eröffnet wurde, feiern ihn Vertreter der Tory-Rechten als ihren Helden. Die meisten Delegierten schauten einander freilich betreten an. Sie sehen, dass bei den Markt-Turbulenzen der letzten zehn Tage, die Kwartengs „Mini-Haushalt“nach sich zog, das britische Finanzsystem ins Wanken gekommen ist. Die Zentralbank hat in Panik Notmaßnahmen ergreifen müssen. Die Opposition wirft dem Schatzkanzler vor, „total die Kontrolle verloren“zu haben. 33 Prozentpunkte soll Labour bereits vor den Tories liegen. Viele Konservative sind davon überzeugt, dass ihre Partei „erledigt“ist und sich von „dieser Katastrophe“auf Jahre hin nicht erholen wird. Aber Kwarteng scheint das wenig zu berühren. Er glaubt, dass er auf dem rechten Kurs sei. Dass er mit radikalen Steuersenkungen, besonders zugunsten der
Reichsten, neues Wirtschaftswachstum erzwingen kann – egal wie hoch die Inflation ist und welche Folgen die neue Rekordverschuldung hat. Dass der Wohlfahrtsstaat geschrumpft werden müsse, hat er eh schon immer geglaubt. Unter Boris Johnson gelang ihm der Aufstieg ins Kabinett. 2012 veröffentliche er die Essay-Sammlung „Britannia Unchained“(Britannien befreit von seinen Ketten). In dieser neoliberalen Streitschrift wurde mächtig gegen „aufgeblähte Staatsstrukturen, hohe Steuern und übermäßige Vorschriften“zur Entlastung des Großkapitals getrommelt. Britische Arbeiter seien „mit die schlimmsten Faulpelze in der Welt“, hieß es an einer Stelle.
Zehn Jahre später sollte Kwarteng die Chance erhalten, etwas gegen „hohe Steuern“und „aufgeblähte Staatsstrukturen“zu unternehmen. Was er tat und wie er es tat, hat allerdings letzten Umfragen zufolge selbst die Mehrheit der Tory-Wähler im Lande gegen ihn aufgebracht.