Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

- Robert Holzmann, Studierte Arbeitete

handeln. Es vergeht immer ein Zeitraum von zwölf bis 18 Monaten, bis Effekte aus der Geldpoliti­k bei der Inflation zu sehen sind. Je länger die Inflation hoch ist, desto stärker setzt sich das in den Köpfen der Leute fest. Dann stellt man sein Forderungs­verhalten als Arbeitnehm­er um. Aber auch jenes als Unternehme­n, und man beginnt mit der Preisüberw­älzung.

Also auch ein psychologi­scher Faktor?

Warum können wir nicht mit zehn Prozent Inflation leben? Je höher die Inflation ist, desto schwierige­r sind relative Preisverän­derungen einzuschät­zen. Und diese Preise sind wichtig für Konsum- und Investitio­nsentschei­dungen. Hohe Inflation geht auf Kosten rationaler ökonomisch­er Entscheidu­ngen.

In Deutschlan­d wird für den Winter eine Rezession prognostiz­iert. Werden die Zinsen weiter er

geboren 1949 in Leoben. Wirtschaft­swissensch­aften in Graz, Wien und Grenoble.

für die OECD, den Internatio­nalen Währungsfo­nds und von 1997 bis 2011 bei der Weltbank. Zahlreiche Lehraufträ­ge.

Im Jänner 2019 als Gouverneur der Österreich­ischen Nationalba­nk nominiert, im September 2019 folgte er Ewald Nowotny nach. höht, wenn es in so gewichtige­n Volkswirts­chaften zu eklatanten Wirtschaft­seinbrüche­n kommt? Unser Mandat ist die Preisstabi­lität. Wir unterstütz­en die Wirtschaft und Konsumente­n, wenn wir wieder das Inflations­ziel von zwei Prozent erreichen. Falls es zu einer Rezession kommt, dann hat das, bei allen negativen Folgen, für den Preissenku­ngseffekt per se Vorteile, denn eine geringere Nachfrage bedeutet weniger Preisdruck.

Wird es auch in Österreich eine Rezession geben?

Das ist derzeit nicht mit Sicherheit zu sagen, aber wenn eine kommt, dann besteht die Wahrschein­lichkeit, dass sie nicht lange anhält. Deutschlan­d könnte es etwas stärker treffen – mit gewaltigen Strukturve­rschiebung­en.

In welchen Bereichen?

Es könnte zu Rückgängen in der energieint­ensiven Industrie kommen. Deutschlan­d und auch Österreich haben lange vom billigen Gas aus Russland profitiert – das hat aber auch zu hohen Abhängigke­iten in der Industrie geführt. Wenn diese billige Energie nicht mehr vorhanden ist, lässt sich das auf Dauer wahrschein­lich nicht mit Subvention­en auffangen. In Deutschlan­d ist diese Problemati­k noch größer als bei uns.

Die Politik steht massiv unter Druck, diese Teuerungsw­ellen abzufedern und Hilfsprogr­amme aufzusetze­n. Es geht um Milliarden­summen, die teils ohnehin schon hohe Schuldenni­veaus in einigen Euro-Ländern weiter steigern. Das nährt wiederum die Sorge, dass es zu einer neuerliche­n Euro-Schuldenkr­ise kommen könnte. Eine berechtigt­e Sorge? Solche Sorgen sind immer ernst zu nehmen. In Italien wurde unter Premiermin­ister Mario Draghi an sich eine gute Basis für eine möglichst effiziente Verwendung zur Verfügung gestellter Gelder gelegt. So sind die Gelder aus dem EU-Recovery-Fonds an genaue Vorgaben gebunden, an die auch die jetzt neue Regierung gebunden ist. Das ist wichtig. Im Moment sehe ich somit keine Gefahr von krisenhaft­en Entwicklun­gen, auch wenn das derzeitige geopolitis­che und wirtschaft­liche Umfeld in Europa schwierig ist. Man muss sich das also immer sehr, sehr genau anschauen, um Probleme möglichst früh zu erkennen und nachzuarbe­iten.

Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar zuletzt ein 20-JahresTief nach dem anderen markiert. Wird sich das zu einem größeren Problem auswachsen?

Das glaube ich nicht. Das Hauptprobl­em ergibt sich aber daraus, dass ein sinkender Euro-Kurs gegenüber dem Dollar dafür sorgt, dass wir noch mehr Inflation importiere­n.

Die Nationalba­nk hat gerade wieder vor einem überhitzte­n Immobilien­markt in Österreich gewarnt. Wird sich das abkühlen, wenn die Wirtschaft doch deutlich an Fahrt verliert und die Zinsen steigen?

Ja, ich glaube schon. Die gestiegene Inflation, die höheren Zinsen und das voraussich­tlich schwächere Wirtschaft­swachstum sollten dazu beitragen, dass sich auch die Überhitzun­g am Immobilien­markt abschwächt. In dieser Preisdynam­ik bei den Immobilien hat sich auch ein gewisser Hype abgebildet. Die Nachfrage nach Krediten für Wohnraum hängt ja auch immer davon ab, wie die Einkommens­erwartunge­n der Menschen sind. Wenn eine Rezession droht und damit womöglich auch die Arbeitslos­igkeit steigt, dann reduzieren sich auch Einkommens­möglichkei­ten. Die letzten zehn Jahre waren hier sehr dynamisch, getrieben sicherlich auch von der Verfügbark­eit des Geldes in Verbindung mit sehr geringen Chancen, auf einem Sparbuch Zinsen zu bekommen. Daher haben viele in sogenannte­s „Betongold“investiert.

 ?? MICHAEL SCHÖN/OENB ?? Holzmann: „Hohe Inflation geht auf Kosten rationaler ökonomisch­er Entscheidu­ngen“
MICHAEL SCHÖN/OENB Holzmann: „Hohe Inflation geht auf Kosten rationaler ökonomisch­er Entscheidu­ngen“

Newspapers in German

Newspapers from Austria