Herbst der Männer
Mit „Dudes“probt das Theater im Bahnhof das Verstummen des alten weißen Mannes. Das hat hintergründigen Witz.
Wenn der Herbst langsam in den Winter übergeht und es am Weg ins Theater schon seit Stunden dunkel ist, scheint eine gute Zeit für leise Töne zu sein.
Dass hier eine Stärke des TiB liegt, wurde wiederholt bewiesen. Stille, Langsamkeit und listig platzierte Schmunzel-Momente dominieren auch die aktuelle Arbeit „Dudes“, die antritt, dem titelgebenden Boomer-Bleichgesicht – hier von Ed Hauswirth und Rupert Lehofer mit authentischen Bäuchen verkörpert – das Wort zu entziehen.
Das mit der Stille ist also ganz wörtlich zu verstehen, Hauswirth und Lehofer haben keinen Satz Text. Der wird von Florentina Piffl und Emilia Thelen übernommen (beide 12 Jahre alt), die für und über die stummen Herren sprechen und sie durch Helene Thümmels hellen Bühnenraum dirigieren. Die Gastregie der 1981 in Teheran geborenen Sahar Rahimi ist auch eine Absage an eine männlich gelesene Theaterpranke: Statt virtuoser Bühnen- und Diskurskunst – Spielwiesen maskuliner Dominanz-Mechanismen – gibt es wenige kluge Bilder und einen Plot, der gleich einer theatralen Parabel funktioniert.
Dass die jungen Gäste ihre Dudes höchstens lustig finden, ist da weit weniger interessant als deren reduziertes Spiel zwischen Klischeemänner-Requisiten (Akkuschrauber, Bierflasche), das eine große Unbeholfenheit erzählt. Wenn Hauswirths tägliche Rückengymnastik wirkt wie das Reenactment der pofixierten Frauenfotografien, mit denen Lehofer sauber die Bühnenwand zupflastert, hat das vorder- und sehr hintergründig Witz.
Das gilt für den ganzen Abend. Hermann Götz
BoomerBleichgesicht Ed Hauswirth
Dudes. 2., 3., 9., 10., 16., 17. Dezember, 20 Uhr, Theater im Bahnhof. www.theater-im-bahnhof.com
sich der Chor zu den rasanten Tempi Roland Kluttigs für seinen Großeinsatz auf. Neben dem Gesangspensum werden ihm noch wüste Alkoholexzesse, groteske Schönheitswettbewerbe und vergnügliche Zirkusnummern abverlangt. Den Sängerinnen und Sängern in den fantasievollen Kostümen Nina Lepilinas bereitet die Mehrarbeit sichtlich großen Spaß. Altaras formt aus dem souverän studierten Kollektiv eine Sammlung fein gezeichneter Individuen. Nur wenige ihrer Zunft machen sich diese Mühe – oder beherrschen die Kunst.
Wer mit Nebenfiguren so liebevoll umgeht, bei dem sind auch die Protagonisten in guten Händen. Altaras erzählt keine Parallelhandlung, sondern nimmt das zwischen Tragik und Komik schwankende Werk in jeder Wendung ernst. Sogar das überraschende Happy End, als Marie den zum Mann nimmt, der sie gerade noch für 300 Gulden verkauft hat, kann sie glaubhaft vermitteln. Im vorschnellen Jubel der Familien und des Dorfes zeigt sie ihrem Hans gestisch in aller Deutlichkeit, dass über seinen schwer verdaulichen Streich noch zu reden sein wird – zu tief sitzt die Verletzung.
Tetiana Miyus ist eine hinreißende Marie. Zu ihrer berührend innigen Stimme wirft sie noch erfrischende Spielfreude in die Waagschale. Ihr Hans ist der Tenor Matthias Koziorowski, der nach angestrengten Anfängen zuletzt zum ebenbürtigen Partner heranwächst. Berührend auch der verschmähte Stotterer Wenzel, den der stimmgewaltige Albert Memeti als tragikomische Außenseiterfigur anlegt. Zentraler Spielmacher aber ist der übergriffige Intrigant und Kuppler Kecal. Wilfried Zelinka spielt den großmäuligen Landgendarmen, der einem Steirerkrimi entstiegen sein könnte, mit Lust und Selbstironie. Fast nebenbei singt er auch noch betörend.
Auch die kleineren Rollen sind gut besetzt, was besonders in den Ensembles zum Tragen kommt. Von Markus Butters angesagter Erkältung ist nichts zu hören, Martin Fournier ist ein witziger Zirkusdirektor, Mareike Jankowski und Andzelika Wisniewska geben verstädterte Bäuerinnen und Daeho Kim den überforderten Vater von Hans und Wenzel.
Roland Kluttig lässt kein Detail unbeachtet. Präzise und ohne falsches Sentiment arbeitet er mit den Grazer Philharmonikern die Feinheiten der raffinierten Partitur heraus. Das Publikum dankt herzlich für einen rundum gelungenen Opernabend.