CO muss rascher aus 2 der Luft geholt werden
Ohne CO2-Entnahme aus der Atmosphäre sind die Klimaziele nicht zu schaffen. Bislang wurde das Thema allerdings viel zu wenig beachtet, warnen Forscher.
Die Erkenntnis ist an sich nicht neu: Sinkt der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) nicht rasch ab, ist der Zug für das Erreichen der Klimaziele von Paris in wenigen Jahren endgültig abgefahren. Doch was in der Diskussion meist untergeht: Selbst höchste Anstrengungen zur Treibhausgasvermeidung werden die globale Erhitzung nur dann auf Dauer unter 2 oder sogar 1,5 Grad Celsius halten können, wenn schon bald große Mengen von bereits ausgestoßenem CO2 aus der Luft zurückgeholt werden. Ein Erfordernis, dem politisch bisher viel zu wenig Rechnung getragen worden sei, kritisieren Forscher und mahnen dabei zur Eile.
Die Ausgangslage ist durchwachsen, wie rund 20 Fachleute in der eben erschienenen ersten globalen Bestandsaufnahme zum Thema („State of Carbon Dioxide Removal“) feststellen. Demnach sind die Bemühungen, Treib
künftig in größerem Stil wieder einzufangen, bislang von fast allen Staaten links liegen gelassen worden. „Dabei zeigen die Szenarien des Weltklimarats IPCC klar auf, dass solche Maßnahmen vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ausschlaggebend sein werden“, sagt Jan Christoph Minx, Nachhaltigkeitsforscher am Mercator Institute Berlin und einer der Studienautoren. „Der entscheidende Punkt ist, dass man jetzt beginnen muss, die Technologien in industriellen Anlagen auf Schiene zu bringen, um sie später rechtzeitig auf das nötige Gesamtmaß skalieren zu können. Davon sind wir aber meilenweit entfernt.“
Ganz von vorne beginnen muss die Welt in Sachen CO2-Entnahme trotzdem nicht. Schon heute werden primär durch Aufforstungen pro Jahr etwa zwei Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gezogen – bei einem weltweiten Gesamtausstoß von rund 38 Milliarden Tonnen. Solche mehr oder minder natürlichen CO2Senken können allerdings nur begrenzt ausgebaut werden. Entscheidend sind nach Einschätzung der Wissenschaftler deshalb neuartige Methohausgase den wie die direkte Entnahme aus der Luft mittels technischer Einrichtungen, die Bioenergienutzung mit Kohlenstoffabscheidung oder die Herstellung von Biokohle, die ebenfalls CO2 bindet. Über solche Ansätze werden bislang weltweit allerdings gerade einmal zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingefangen – das entspricht 0,005 Prozent der gesamten globalen Emissionen.
Entsprechende Anlagen existieren, wenn überhaupt, vorerst nur im Demonstrationsstadium, etwa im Südwesten Islands, wo die weltgrößte derartige Anlage „Orca“seit
2021 jährlich 4000 Tonnen CO2 aus der Luft einsaugt und unterirdisch einspeichert.
Um die Chance auf das Erreichen der Pariser Klimaziele zu wahren, müssten derartige Methoden bis 2030 um den Faktor 30 gesteigert werden, bis 2050 sogar um den Faktor 1300, rechnen die Wissenschaftler vor. Minx ist sich sicher: „Es existieren inzwischen eine Menge technischer Lösungen dafür. Die größte Herausforderung ist es, dafür jetzt einen politischen Rahmen zu schaffen, der nicht länger warten kann.“
Erforderlich ist dafür freilich auch eine Menge Geld und – je nach System – mitunter auch viel (grüne) Energie. Bislang belaufen sich die Kosten für die CO2-Entnahme auf mehrere Hundert bis Tausend Euro je Tonne. „Die Lernkurven sorgen aber dafür, dass die Technologien günstiger werden und sich irgendwann mit den Kosten für die CO2-Vermeidung schneiden“, erklärt Minx.
Ersatz für das Einsparen von Emissionen sehen die Forscher die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre jedoch nicht. „Man muss klar festhalten: Das ist keine Entweder-Oder-Frage“, sagt Studienautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die CO2-Entnahme sei ebenso wie der Abbau der Emissionen jedenfalls ein Muss.
„Ein Netto-Null- Emissionsziel, dem sich bislang rund 120 Staaten verschrieben haben, setzt eine solche Entnahme ja voraus, weil ein gewisses Grundmaß an Emissionen immer überbleiben wird“, sagt der renommierte Forscher. Sinkt der globale Treibhausgasausstoß allerdings weiterhin nicht oder nur in geringem Ausmaß, sind die Klimaziele auch mit CO2-Entnahmen nicht mehr zu retten.