Droht dem Eis wirklich das Ende?
Die hohen Energiekosten und die Pandemie haben dem Eisstocksport zugesetzt. Verbandspräsidentin Silvia Tschiltsch und Generalsekretär Michael Brantner über die Zukunft und den Olympia-Traum.
Trügt der Schein oder wird es um den Eisstocksport immer leiser? MICHAEL BRANTNER: Der Eisund Stocksport stehen gesamt gesehen vor einer Wende. Die Tendenz der letzten zehn Jahre zeigt eine Verschiebung des traditionellen Sportes vom Winter in den Sommer.
SILVIA TSCHILTSCH: Aus der Innensicht kann ich das nicht bestätigen. Wenn die mediale Außensicht gemeint ist, trifft das vielleicht regional zu, woran wir arbeiten.
Geht der Sport am Stock? MICHAEL BRANTNER: Das glaube ich nicht. Wir arbeiten daran, den Sport im Nachwuchsbereich attraktiver zu gestalten und der Jugend mehr Angebote zu geben. Vor allem im Sommer können wir dies leichter gestalten als im Winter, wo die Beginnzeiten von Turnieren, Meisterschaften und Trainings aufgrund der Hallenverfügbarkeiten nicht jugendtauglich sind.
SILVIA TSCHILTSCH: Wir schreiten mit Siebenmeilenstiefel in die Zukunft. Stichwort: Digitalisierung, Prozessoptimierung, Nachwuchsarbeit und vieles mehr. So wurden wir unter an
von Sport Austria für unsere Konzepte sehr gelobt und unsere Arbeiten teilweise als „best practice“herangezogen. Bei zusätzlich weit über 50 Sportveranstaltungstagen pro Jahr, nur auf Bundesebene, wäre das „Gehen am Stock“nicht möglich. Aus meiner Sicht ist also das Gegenteil der Fall!
Neigt sich der Winter als Ganzes dem Ende zu?
MICHAEL BRANTNER: Der Winter, also der Eisstocksport, wird sich in den nächsten Jahren als sehr schwierig gestalten.
SILVIA TSCHILTSCH: Wenn man sich die Berichte um die klassischen Wintersportarten ansieht, könnte man grundsätzlich pessimistisch in die Zukunft schauen. Jedoch hat es diese Phasen immer wieder gegeben. Dem Eisstocksport setzt weniger das Wetter als die momentanen Kosten und Möglichkeiten der Eishallen zu. Hier denkt man notgedrungen über eine Zukunft ohne Eis nach. Das ist allerdings ein massiver Kulturwandel und ein sich entwickelnder Prozess.
Wie ist der Stellenwert des Sports und des Nationalteams im Nachwuchs?
SILVIA TSCHILTSCH: Das müsste man eigentlich die Sportlerinnen und Sportler fragen. Ich persönlich bemerke generell einen Wandel der Werte der Jugend, aber das hat nichts mit dem Sport alleine zu tun und das ist auch eine logische Folge der sich verändernden und weiterentwickelnden Generationen. Wie immer wird es vom Charakter, dem Umfeld und der Familie der Sportlerinnen und Sportler abhängig sein, ob der Sport attraktiv ist und dann in letzter Konsequenz die Bereitschaft vorhanden ist, andere Interessen dem Spitzensport unterzuordnen.
Spürt der Sport die Nachwehen der Pandemie?
MICHAEL BRANTNER: Ja, auf alle Fälle. Durch die Pandemie sind die Menschen teilweise gemütlicher geworden und sind nicht mehr bereit, an das Limit zu gehen. Ein Teil ist durch die Pause noch motivierter zurückgekommen und ein Teil hat nicht mehr den vollen Ehrgeiz für Sport.
SILVIA TSCHILTSCH: Auch hier glaube ich, dass wir mehr die hohen Kosten spüren als die Pandemie. Ich glaube daran, dass wir mit beherzten Funktioderem nären die Jugendlichen wieder vom Tablet wegbekommen.
Hat die Energiekrise den Sport eiskalt erwischt?
MICHAEL BRANTNER: Im Winter auf alle Fälle. Viele Eishallen blieben bereits im Vorfeld aufgrund der überhöhten Kosten geschlossen. Dies wiederum behindert die Athleten und Vereine bei der Vorbereitung auf die Meisterschaften.
MICHAEL BRANTNER: Anfangs war der Ton schon sehr rau. Mittlerweile haben sich die Wogen aber wieder gelegt. Am Spiel selbst ändert sich ja nicht wirklich viel. Der größte Diskussionspunkt ist mittlerweile der Strafenkatalog, welcher vereinfacht, aber bereits auf internationaler Ebene schärfer geahndet wurde.
SILVIA TSCHILTSCH: In der Emotion ist der Ton manchmal rau, das wird auch immer so sein. Wir haben inzwischen viele Gespräche geführt und die meisten haben sich inzwischen daran gewöhnt. Alles ist gut!
Michael Brantner
Es wird gemunkelt, dass die Kommunikation mit dem Weltverband mangelhaft ist.
MICHAEL BRANTNER: Nach der Ära „Schäfer“gab es auch im Weltverband (IFI, Anm.) einen Umbruch und ein neues Team, das sich erst finden musste. Und es stimmt, wir hatten Kommunikationsprobleme in gewissen Bereichen mit der IFI. Wir haben uns zusammengesetzt und unsere Gedanken einer funktionierenden Kommunikation besprochen und geklärt.
Der internationale Verband behandelt den Sommer stiefmütterlich und träumt noch immer von Olympia. 2026 wird der Eisstocksport in Mailand und Cortina d’Ampezzo wieder nicht im Programm sein. Muss man sich von dem Traum langsam lösen? MICHAEL BRANTNER: Die Vision Olympia werden wir auch weiterhin verfolgen. Es gebe aber auch mit den World Games eine internationale Bühne, die man leichter bewerkstelligen könnte. Der Sommersport würde jedoch mit Sicherheit mehrere Möglichkeiten eröffnen. Weltund Europameisterschaften wären vor allem in der Energiekrise einfacher und attraktiver durchzuführen.
SILVIA TSCHILTSCH: Wir werden das Ziel Olympia mit Sicherheit weiterverfolgen. Jedoch ist unser Sport genauso viel wert, wenn wir nicht olympisch sind. Dieses Wertegefühl und diesen Stolz möchte ich vor allem unseren eigenen Sportlerinnen und Sportlern sowie Funktionärinnen und Funktionären immer wieder mit auf den Weg geben.
Bei Staatsmeisterschaften sind die gleichen vorne wie schon vor mehr als einer Dekade. Kommt nichts nach?
SILVIA TSCHILTSCH: Wenn man das Podest bei den Herren betrachtet, würde man sagen, ja. Jedoch steckt hier auch eine enorme Qualität dahinter. Mit Taxacher, Fuchs und Fischer sind Weltund Europameister am Podest. Mit Jakob Solböck (21 Jahre, Anm.), Patrick Solböck (26 Jahre, Anm.) sowie Michael Regenfelder (20 Jahre, Anm.) kratzen die Jungen am Leibchen der Routiniers. Bei den Damen spielt Simone Steiner in einer eigenen Klasse, wobei auch hier junge Spielerinnen nachkommen wie Julia Omelko (23 Jahre, Anm.), Anja Mandl (16, Anm.), Chiara Wade (17, Anm.) und Sina Rieger (19, Anm.).