Zur Person
denn Scheherazade belehrte mich: Erzählen ist Leben, Schweigen bringt den Tod. Auf der anderen Seite war ich immer schon sehr neugierig, die Naturereignisse zu verstehen: Abergläubische Erklärungen erschienen mir dumm. So begann ich Chemie, Physik und Mathematik zu studieren.
Ihre Bücher haben Sie millionenfach verkauft und sie wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Welche Wirkmacht hat das Wort?
Erzählen kann, wenn es gut ist, unterhalten und uns aus dem belastenden Alltag in eine fiktive Welt mitnehmen. Es kann auch Hoffnung säen, Mut machen, Respekt lehren gegenüber anderen Kulturen und Lebewesen. Mehr will ich nicht.
Sie treten auf vielen Erzählfestivals auf, demnächst auch in Graz. Welche Geschichten berühRafik ren die Menschen am meisten?
Die heiteren, und dies mit gutem Grund, weil Humor der beste Schmuggler von Gedanken und Gefühlen ist. Er lässt jede Predigt hinter sich zurück und bringt mitunter dieselben Inhalte viel erfolgreicher an ihren Zielort.
Angeblich haben Sie die „Buddenbrooks“mit der Hand abgeschrieben. Stimmt das?
Das stimmt. Nach meinem kläglichen Scheitern, meine Romane in einen arabischen Verlag unterzubringen, beschloss ich, auf Deutsch zu schreiben. Ich konnte bereits gut Deutsch im Alltag sprechen, doch Literatur verlangt die höchste Stufe der Qualität einer Sprache. Und da ich am besten Sprachen lernen konnte, wenn ich sie aufschrieb, begann ich die besten deutschen Autor/-innen abzuschreiben – und „Buddenlung, Schami, eigentlich Suheil Fadél, wurde 1946 in Damaskus geboren, 1970 verließ er Syrien und lebt seit 1971 in Deutschland. Seine
Bücher haben sich millionenfach verkauft und wurden in 30 Sprachen übersetzt. Buchtipp. Die geheime
Mission des Kardinals, Hanser, 432 Seiten, 26,90 Euro.
brooks“ist mein Lieblingsroman von Thomas Mann.
Sie schreiben nicht „orientalisch“, sondern „rafik-schamisch“. Wie klingt das?
Das Wort „orientalisch“kann in Bezug auf Kunst und Literatur sehr stark von einer eurozentristischen Haltung gefärbt sein, die ihrerseits vom Kolonialismus gezeugt wurde. Ich habe meinen eigenen Stil, der modern ist, aber dessen Wurzeln in der Kunst des mündlichen Erzählens liegen. Als Christ kam ich früh mit der europäischen Kultur in Berührung. Doch ich begriff schnell, dass ich aus einer reichhaltigen syrischen und arabischen Kultur komme, die langsam in Vergessenheit geriet, ja von den kolonialisierten Köpfen der arabischen Schriftsteller der 1940erund 1950er-Jahre sogar verachtet wurde, weil für sie nur die europäische Literatur galt. Damals begriff ich, dass der, der auf seine Vergangenheit spuckt, von der Zukunft bespuckt wird. Mit dieser Überzeugung entwickelte ich „rafik-schamisch“.
Ihr eigentlicher Name lautet Suheil Fadél, Rafik Schami bedeutet „Freund aus Damaskus“. Ihre Bücher sind in Syrien verboten. Würden Sie dorthin zurückkehren, wenn es möglich wäre?
Nein, aber ich werde, solange ich lebe, Damaskus besingen und dafür kämpfen, dass die Menschen im Land meiner Kindheit in Würde leben.