Das ist noch lange nicht das Ende
„Antigone im Amazonas“ist Theater, das gegen die Zerstörung des Regenwalds und die Unterdrückung der Landlosen aufbegehrt. Erstaunlicherweise funktioniert das.
Das Foyer des Burgtheaters sieht aus, als wäre das Haus von Aktivisten besetzt. Handgemalte Transparente in Schwarz und Rot hängen von den Balustraden, „Isso não é o fim – Das ist nicht das Ende“, verkündet eines auf Portugiesisch. Am Schluss des mit Standing Ovations gefeierten Abends wird der Satz noch einmal auftauchen: Im Abspann des Films, mit dem vier Darstellerinnen und Darsteller 100 Minuten lang live auf der Bühne interagieren. „Antigone im Amazonas“heißt die Festwochen-Koproduktion, die Milo Rau mit dem Theater NTGent noch heute zeigt. Der Schweizer Regisseur übernimmt ab Juli die Leitung der Festwochen, zur Premiere war das Haus brechend voll: Wien ist neugierig auf das, was kommt.
Radikal zeitgenössische Agitation lässt sich vorhersagen: Rau macht Theater, das Relevanz durch Aktionismus beansprucht und durch sogenannte Reenactments soziale und politische Traumata bearbeitet: die geopolitischen und wirtschaftlichen Hintergründe des Bürgerkriegs im „Kongo Tribunal“. In „Five Easy Pieces“stellten Kinder die Geschichte des Kindermörders Marc Dutroux dar.
Für „Antigone im Amazonas“,
eine Auseinandersetzung mit der Verwüstung der Amazonasregion durch Agrarkonzerne und den Kampf der „Bewegung der Landlosen“für eine umfassende Landreform, stellte Rau im April mit einem brasilianisch-niederländischen Team aus Künstlern und Bauern ein Massaker nach, bei dem Polizisten 1996 19 Demonstranten ermordeten – an Ort und Jahrestag des Verbrechens im Amazonasstädtchen Eldorado do Carajás. Die mitgefilmte, ausschnittweise im Theater gezeigte Aktion hatte in brasilianischen Medien nicht nur positive Resonanz. Was vielleicht kein Wunder ist in einem Land, in dem zehn Prozent der Bevölkerung 80 Prozent aller Bodenfläche besitzen; das in Jair Bolsonaro vier Jahre lang einen Präsidenten mit deklariert faschistischer Intention hatte und in dem Jahr für Jahr nach wie vor zig Aktivisten spurlos verschwinden. Dementsprechend ist „Antigone im Amazonas“eine wütende Abrechnung mit 500 Jahren Kolonisation, Sklaverei, Diktatur,