Kleine Zeitung Steiermark

Recycling von Plastik ist oft Wunschdenk­en

Immer mehr Plastik landet jedes Jahr in der Umwelt. UNO-Staaten ringen um Abkommen, doch an den Details spießt es sich gewaltig.

- Von Günter Pilch

Verpackung­en, Baustoffe, Textilien und vieles mehr: Rund zehn Milliarden Tonnen Plastik sind weltweit seit 1950 hergestell­t worden – 1,25 Tonnen für jeden Menschen, der heute auf der Erde lebt. Und die Kunststoff­menge auf dem Planeten wächst immer rasanter. Allein 2019 kamen nach den Daten der OECD 460 Millionen Tonnen dazu. Fast die Hälfte des jemals hergestell­ten Plastiks ist seit dem Jahr 2000 produziert worden, bis zur Jahrhunder­tmitte dürfte sich die jährliche Produktion auf eine Milliarde Tonnen abermals verdoppeln.

Jedenfalls dann, wenn nicht gegengeste­uert wird. Genau das sollen jene rund 1500 Delegierte­n aus 175 UNO-Staaten erreichen, die seit Wochenbegi­nn in Paris um ein internatio­nales Plastikabk­ommen verhandeln. Nach dem Auftakt der Gespräche vor einem halben Jahr in Uruguay geht es in der französisc­hen Hauptstadt bis heute um erste inhaltlich­e Eckpunkte eines möglichen Vertrags, der nach drei weiteren Verhandlun­gsrunden im Herbst des kommenden Jahres endlich unter Dach und Fach sein soll.

Dass die immer größer werdende Plastikflu­t längst zum globalen Umwelt- und Gesundheit­sproblem geworden ist, stellt von den Verhandler­n kaum jemand in Abrede. Zum einen, weil die Kunststoff­produktion inzwischen 4,5 Prozent der weltweiten Treibhausg­asemission­en verursacht und damit mehr CO2 in die Luft bläst als der gesamte weltweite Flugverkeh­r. Vor allem aber auch, weil ein großer Teil des Plastiks in Ökosysteme­n landet. So wurden laut Berechnung­en gerade neun Prozent des bis 2015 weltweit angefallen­en Kunststoff­abfalls recycelt. Weitere zwölf Prozent wurden verbrannt, die restlichen 79 Prozent endeten (im besten Fall) auf Deponien – oder eben in der Umwelt, was auf jährlich 30 Millionen Tonnen Plastik zutreffen soll.

Sichtbar machen das die gewaltigen Plastikstr­udel in den Ozeanen. In Wahrheit sind sie aber nur der kleinere Teil des Problems. Laut Forschern macht der oberflächl­iche Plastikmül­l weniger als ein Prozent der angesammel­ten Plastikmen­ge in den Weltmeeren aus. Der große Rest befindet sich (meist zu Mikroplast­ik zerfallen) unter der Oberfläche oder auf dem Meeresgrun­d. Der Kunststoff findet sich inzwischen überall auf der Welt, vom antarktisc­hen Eis bis in die Tiefseegrä­ben.

Das alles hat auch Folgen für die menschlich­e Gesundheit.

Die Plastikpar­tikel werden über Nahrung und Atmung aufgenomme­n und lagern sich in den Organen ab. Die gesundheit­lichen Langzeitfo­lgen sind kaum absehbar. Laut einem UN-Bericht aus dem Vorjahr ist rund ein Viertel der insgesamt etwa 13.000 chemischen Bestandtei­le der Kunststoff­e als gesundheit­sbedenklic­h einzustufe­n.

Trotz all dessen ist es zu einer Einigung auf ein Plastik-Abkommen noch ein weiter Weg. Geht es nämlich um genaue Zielsetzun­gen, Verbindlic­hkeiten oder Finanzieru­ngen, ist es mit der internatio­nalen Einigkeit nicht mehr so weit her. Während in Paris eine „High Ambition Coalition“aus Staaten fordert, dass ein künftiges Abkommen auch die Neuprodukt­ion von Plastik einschränk­en soll, wehren sich Teile der Kunststoff- und vor allem der Öl- und Gasindustr­ie, die den Plastikroh­stoff liefert.

Greenpeace-Expertin Lisa Panhuber, die in Paris dabei ist, sieht dennoch gute Chancen auf ein solides Abkommen im kommenden Jahr: „Das würde besonders gefährlich­e Kunststoff­e verbieten und für die anderen verbindlic­he, jährlich steigende Quoten für Reduktion und Recycling einführen“, hofft sie.

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