Kleine Zeitung Steiermark

„Betriebe halten Beschäftig­te, solange es irgendwie geht“

Arbeitsmin­ister Martin Kocher sieht kein Alarmsigna­l im moderaten Anstieg der Arbeitslos­igkeit.

- Von Manfred Neuper Von Daniela Bachal

Ihr aktueller Befund zur Konjunktur lautet, dass die Lage derzeit nicht so rosig ist, wie man sich das wünschen würde. Spiegelt sich das mittlerwei­le auch am Arbeitsmar­kt wider, ist der zweite monatliche Anstieg in Folge ein erstes zartes Alarmsigna­l?

Wir sind am Anfang des Jahres davon ausgegange­n, dass die Arbeitslos­igkeit auch im Jahresschn­itt leicht steigen wird. Das bewahrheit­et sich jetzt. Wobei der Anstieg glückliche­rweise tatsächlic­h moderat ausfällt. Und natürlich ist das neben Konjunktur und Inflation auch auf Sondereffe­kte zurückzufü­hren.

Welche?

Eine Rolle spielt der vor Kurzem umgesetzte völlig freie Arbeitsmar­ktzugang für vertrieben­e Ukrainerin­nen und Ukrainer, der sich jetzt auch in der Statistik widerspieg­elt, wo sie seit 21. April erfasst werden. Unter den österreich­weit rund 9000 zusätzlich­en Arbeitslos­en und Schulungst­eilnehmern Ende Mai sind etwa 4400 Vertrieben­e aus der Ukraine.

Wie stehen deren Chancen auf dem Arbeitsmar­kt?

Sie sind sicher gut integrierb­ar. Ich rufe die Ukrainerin­nen und Ukrainer auch auf, sich beim AMS registrier­en zu lassen. Sie fallen dadurch auch nicht aus der Grundsiche­rung, das ist wichtig zu erwähnen.

Aus Teilen der Industrie, vor allem aber aus der Bauwirtsch­aft, sind derzeit wenig erfreulich­e Nachrichte­n zu vernehmen. Gibt es da auch Branchen, die aus Ihrer Sicht auf dem Arbeitsmar­kt in die Kategorie ,Sorgenkind‘ fallen?

Es gibt natürlich große Unterschie­de, sowohl zwischen den

Branchen als auch innerhalb der Branchen. Das heißt, wir haben eine Entwicklun­g, die jetzt durch die Konjunktur, durch Unsicherhe­iten geprägt ist. Gleichzeit­ig haben wir trotzdem viele Betriebe, die Arbeitskrä­fte suchen. Wir beobachten weiterhin, dass viele Unternehme­n, ihre Beschäftig­ten, solange es irgendwie geht, halten möchten. Auch in schwierige­n Zeiten. Weil sie wissen: Wenn sich die Lage wieder verbessert, dann ist es womöglich nicht so einfach, die nötigen Mitarbeite­r wieder zu finden.

Die Arbeitslos­igkeit steigt leicht, die offenen Stellen gehen etwas zurück. Verstärkt sich so der Mismatch zwischen geforderte­r und vorhandene­r Qualifikat­ion von Arbeitssuc­henden?

Wir haben im qualifikat­orischen Bereich einen gewissen Mismatch. Wir sehen aber insgesamt, dass der Arbeitsmar­kt hier flexibler geworden ist. Heute werden viel häufiger Personen von Unternehme­n eingeschul­t, auch wenn sie dort keine einschlägi­gen Berufserfa­hrungen vorweisen können. Aufgrund des hohen Bedarfs an Arbeitsund Fachkräfte­n ist diese Flexibilit­ät gestiegen – das war früher durchaus anders. Da dreht sich der Markt, es ist stärker ein Arbeitnehm­ermarkt geworden.

Das Saisonnier­kontingent im Tourismus ist gerade um weitere 900 Stellen erhöht worden. Wird das in Zeiten, in denen die Arbeitslos­igkeit wieder zunimmt, schwerer argumentie­rbar?

In den Tourismush­ochburgen Österreich­s haben wir Vollbeschä­ftigung. Da gibt es fast keine Arbeitslos­en oder Arbeitsuch­enden, gerade in diesem Bereich nicht, wo sie gesucht werden. Wir haben natürlich ein gewisses Arbeitskrä­ftepotenzi­al in Wien, das man theoretisc­h im Sommer für Saisonjobs im Rest Österreich heranziehe­n könnte. Aber ehrlich gesagt, ist das herausford­ernd, weil bestehende Regeln und praktische Hürden das erschweren. Zumutbarke­itsbestimm­ungen schützen da auch richtigerw­eise Familien und das soziale Leben. Man kann über alles diskutiere­n, aber das Argument, dass es in Österreich so viele Arbeitssuc­hende gibt, die man ja dafür einsetzen könnte, ist verkürzt, da unterschät­zt man diese regionalen Unterschie­de.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde aus der Wirtschaft wiederholt als zu bürokratis­ch kritisiert. Im Herbst wurde sie reformiert. Wie fällt die Zwischenbi­lanz aus?

Die ersten Zahlen sind vielverspr­echend, wir haben seit Inkrafttre­ten der Reform am 1. 10. ein Plus von rund 45 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresm­onat. Wir hatten im Vorjahr rund 6200 Rot-WeißRot-Karten, heuer sollten es knapp 10.000 sein. Das heißt nicht, dass damit alle Probleme beseitigt sind, zeigt aber, dass die Reform grundsätzl­ich gut funktionie­rt.

Nach den äußerst niedrigen Zahlen des Vorjahres verzeichne­n wir im Mai den vierten Monat in Folge wieder steigende Arbeitslos­enzahlen in der Steiermark. Mit dieser Situation war jedoch zu rechnen“, sagt AMS-Landesgesc­häftsführe­r Karl-Heinz Snobe, der in seiner historisch­en Liste weit zurückgehe­n muss, bis er einen Mai findet, in dem die Arbeitslos­enzahl in der Steiermark unter 27.000 lag. 2008 war so ein Jahr und 2001, da allerdings nur sehr knapp.

Mit 27.922 Personen, die heuer im Mai beim AMS Steiermark als arbeitslos gemeldet waren, gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 8,1 Prozent. Inklusive der 7901 Teilnehmer­innen und Teilnehmer an Schulungen sind damit momentan 35.823 Steirerinn­en und Steirer ohne Job (plus sechs Prozent). Im Bundesländ­ervergleic­h ist die Arbeitslos­enzahl in der Steiermark indes am stärksten gestiegen. Höchst unterschie­dlich fällt die Bilanz nach Altersgrup­pen aus: Während bei den unter 25-Jährigen ein deutliches Plus von

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Minister Martin Kocher
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