„Keine Lusche zu sein, genau darum geht es“
Klaus Kastberger wird heute in Wien mit dem Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik ausgezeichnet. Hier Auszüge aus seinen Dankesworten.
Über die Maszen (mit sz geschrieben) hätte ich mir gewünscht, dass Friederike Mayröcker bei diesem Anlass hier noch hätte dabei sein können. Sie war eine liebenswerte, mutige und äußerst konsequente Person. Mit ihrem in vielerlei Hinsicht radikalen Werk habe ich mich über Jahre, ja über Jahrzehnte hinweg beschäftigt. Erst anhand dieser Bücher wurde mir klar, wozu es auf dieser Welt überhaupt so etwas wie literaturwissenschaftliche Methoden gibt. Nämlich, um sie angesichts der inneren Logik von Dichtung jederzeit zu überschreiten.
Ich danke der Jury, die mich in meinem Grazer Versteck aufgespürt hat, um mich in Wien vor den Vorhang zu holen. Es ist ja durchaus nicht selbstverständlich, dass man in der Bundeshauptstadt immer so ganz genau weiß, was sich in der Provinz abspielt. Graz, nur zweieinhalb Zugstunden entfernt, erscheint dem Wiener und der
Wienerin im Allgemeinen weit weg, eine in kulturellen Dingen oft ansatzlos hochfahrende und fast schon übermütige Stadt, die aber von Wien aus gesehen trotzdem immer nur hinter den Bergen liegt.
„Graz ist Hauptstadt der Literatur.“Mit diesem Satz hat die Kleine Zeitung erst vor zwei Jahren, im Sommer 2021, getitelt. Auf dem Cover waren Fotos der damals frischgebackenen Bachmannpreisträgerin Nava Ebrahimi und von Clemens J. Setz zu sehen, dem gerade der Büchner-Preis zugesprochen worden war. Vergleichbares könnte man sich auf der Titelseite eines Massenblattes in Wien nicht vorstellen. ch bedanke mich bei Kurt Neumann für die Laudatio. Ich habe überlegt, ob es überhaupt statthaft ist, ihn darum zu bitten, weil ich selbst erst vor einigen Monaten in Graz eine Lobrede auf ihn gehalten habe, aber das hat man in Wien wahrscheinlich gar nicht mitge
Ikriegt. Was werden bloß die Leute sagen, habe ich mir gedacht: Der eine lobt den anderen und der andere lobt den einen wieder zurück. Aber, liebe Leute, so geht das halt manchmal, gerade auch dann, wenn es um die Sache geht. In der Sache nämlich, von der ich vermute, dass ich für sie diesen Preis hier bekomme, kennt mich niemand besser als Kurt Neumann. Ich will mir gerne einreden, dass es die Sache des Redens und Schreibens über Literatur sowie die ihres Verstehens und ihrer Beurteilung in Momenten der alleinigen Konzentration auf den Text ist. ch würde gerne von mir sagen können, dass ich in diesen Momenten gut bin. Es sind gleichsam die Momente, in denen der Interpret von Literatur alle Folkloren des Betriebes losgeworden ist und in denen er mit sich und seinen Befindlichkeiten vor dem Text alleine ist. Wer, wenn nicht diese Momente könnten unser aller Reden
Iund Schreiben über Literatur legitimieren? Wie wichtig eine solche Legitimation in unseren konkreten Lektüren und damit jenseits der puren Repräsentanzen des Kulturbetriebes ist, habe ich bei Kurt Neumann in der Alte Schmiede gelernt. Dort wurde ich genau in diesem Sinn literarisch sozialisiert. n den offiziellen Stellungnahmen war auch davon die Rede, dass ich den Freiraum der Forschung und Lehre nutze, um mich in den aktuellen Literaturbetrieb einzumischen. Manchmal verläuft der Transfer aber auch genau umgekehrt. So habe ich mir erlaubt, Ende des Jahres 2020 in einem Kommentar im „Standard“die Novelle des Universitätsgesetzes zu kritisieren. Trotz einer Vielzahl von Einwendungen auch im offiziellen parlamentarischen Begutachtungsverfahren ging das Gesetz dann fast unverändert durch und entwickelt heute an österreichischen Unis seine ganze unheilvolle Kraft.
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