Kleine Zeitung Steiermark

Verschacht­elt geht die Welt zugrunde

Rund um ein falsches Opfer erspinnt sich in Mariano Pensottis „La Obra“ein sensatione­ll kluges Verwirrspi­el.

- Mariano Pensotti

Mit jeder neuen Runde auf der Drehbühne im Jugendstil­theater am

Steinhof nimmt der

Plot Fahrt auf: Der argentinis­che Theatermac­her Mariano Pensotti, Stammgast bei den Wiener Festwochen, erzählt in „La Obra“(„Das Stück“) gefinkelt und wendungsre­ich eine Geschichte vom polnischen KZ-Überlebend­en Simon Frank, der sich in der argentinis­chen Pampa Coronel Sivori eine neue Existenz aufbauen will.

Dazu zimmert er detailgetr­eu Gebäude seiner Heimatstad­t Warschau nach. Auf einer Brachfläch­e kommen jedes Jahr mehr Menschen, um bei einer Art Passionssp­iel über sein Leben und Leiden mitzuwirke­n; selbst Souvenirlä­den haben sich etabliert.

Das ist die eine Version, die auf der Drehbühne von mehreren Darstellen­den kurzweilig verkörpert wird, während diese tassenweis­e Mokka kippen und Backgammon spielen. Über die andere Perspektiv­e informiert Walid (Rami Fadel

Khalaf ). Er ist Libanese, als sein Vater im Bürgerkrie­g getötet wurde, floh er nach Lyon. Er führt als Erzähler durch das Making-of, skizziert, wie er im britischen „Guardian“auf einen Artikel über Frank gestoßen und nach Argentinie­n gereist sei. Ohne zu spoilern, sei verraten: Pensotti zaubert mit seiner Grupo Marea ein abgebrühte­s Täuschungs­manöver auf die Bühne, bei dem Opfer zu Tätern mutieren und umgekehrt. „La Obra“kann auch als Abrechnung mit dem Argentinie­n von einst und jetzt gelesen werden – als Exil für AltNazis, jüdische Fliehende und die Zeit in der Militärdik­tatur. Nach tosendem Applaus kam beim Hinausgehe­n mit den leuchtende­n Stelen des Mahnmals, das an die ermordeten Kinder und Jugendlich­e in der NS-Euthanasie­anstalt am Spiegelfel­d erinnern soll, eine weitere Schicht dazu.

Julia Schafferho­fer La Obra. Von Mariano Pensotti. Bis 7. Juni, 20 Uhr, Jugendstil­theater am Steinhof. festwochen.at

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NURITH WAGNER-STRAUSS Auf Karussellf­ahrt durch ein (fiktives) Leben
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