Der Fall Lindemann(s)
Frauen als Ware, Sex-Castings für Partys, Drogen und Gewalt. Die Band Rammstein sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Auch eine Grazerin wurde kontaktiert.
die Handys abgenommen worden. Das Mitnehmen des Freundes war verboten. Immer wieder wird betont, dass es primär um den Sänger der Band gehe. Auch Shelby Lynn sammelt die Berichte. „Ich habe etwa 2500 Nachrichten erhalten, davon sind wahrscheinlich 30 Zeugenaussagen“, erklärt sie gegenüber der Kleinen Zeitung. Selbst die Managerin von Peter Tägtgren – mit dem Lindemann zwei Soloalben produzierte – hat sich mit einem Unterstützungsschreiben zu Wort gemeldet, in dem sie für die Frauen Partei ergreift.
betonte hingegen in einem Statement: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen können wir ausschließen, dass sich, was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat.“Und in einer zweiten Stellungnahme am Sonntag: „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“Und weiter: „Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden.“
Die Schilderungen der Frauen skizzieren immer wieder ein ähnliches Bild. Das kann man auch verdächtig finden. Unter dem trügerischen digitalen Deckmantel wäre eine orchestrierte Racheaktion einer Person (mit mehreren Profilen) nicht sofort nachweisbar. Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“sowie des NDR scheinen die Anschuldigungen aber zu untermauern. Ein Investigativteam sprach mit zahlreichen Opfern, die an Eides statt ähnliche Anschuldigungen erheben – darunter Machtmissbrauch und nicht einvernehmlicher Sex. So berichtet eine 21 Jahre alte Frau, nach einer Party mit Lindemann besinnungslos auf einem Hotelbett gelegen zu sein. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, soll Lindemann auf ihr gelegen haben. Er hätte gefragt, ob er aufhören solle. „Und ich wusste nicht einmal, womit er aufhören will.“Lindemann sei dann gegangen.
Immer wieder fällt der Name Alena M. Die Russin sei hauptverantwortlich dafür, junge Frauen für Lindemann zu casten. Sie lege Regeln fest, erkundige sich nach Outfits, wolle Fotos sehen. Sexy sollte es sein. Keine Bandshirts. Dafür LipFrauen penstift. Ihre Rekrutierung im Netz legt nahe, dass es sich beim „Fall Rammstein“nicht um eine einfache Groupie-Affäre im Zeitalter von #MeToo handelt. Sondern um ein sexuelles System, das auf ungleiche Machtverhältnisse baut und in dem Frauen einen Verwendungszweck erfüllen sollten.
Grazerin Jay wurde im Vorjahr von der Russin kontaktiert. „Aus dem Nichts, über Social Media“, wie Jay im Interview betont. Die Chats liegen der Kleinen Zeitung vor und skizzieren den Rekrutierungsvorgang. Zuerst dachte Jay, es handele sich um einen Scherz. Hinweise auf sexuelle Bedingungen hätte es keine gegeben. „Alena betonte, sie suche hübsche Frauen, die tanzen und Stimmung machen“, so Jay. Sie entschied sich schließlich dagegen. Das mutmaßliche „System Rammstein“verstört. Auch deshalb, weil die Band für das Spiel mit Abgründen bekannt ist. Wer Rammstein hört, betritt eine sexuell aufgeladene Unterwelt der Perversion, Gewalt, Masse und Macht. Die Faszination von Rammstein fußt auf dem stillen Deal zwischen Fans und Band, dass das Unfassbare als Spiel
Auch die 21-jährige
mit verschiedenen Deutungsebenen nur in der Kunst stattfindet. Wer Rammstein Vorwürfe ihrer Schock-Ästhetik wegen machte, habe die Band nicht verstanden, hieß es. Blickt der Abgrund zurück, wenn man zu lange hineinblickt?
In letzter Zeit schien das Extreme über die Provokation hinauszugehen – wurde aber dennoch geduldet. Im Zuge der Veröffentlichung eines Gedichtbands sorgte Till Lindemann 2020 mit einem Text, in dem eine Vergewaltigung – begünstigt durch Rohypnol im Glas – geschildert wird, für Empörung. Im gleichen Jahr verstörte Till Lindemann im Rahmen seines Soloprojekts mit einem expliziten Musikvideo namens „Till I Die“, deutsch: „Bis ich sterbe“oder „Till, ich sterbe“. Lindemann spielt in dem Porno einen Mann, der sich in seinem Hotelzimmer mit maskierten Frauen umgibt. Das Musikvideo zeigt Sex, der mit purer Gewalt durchgeführt wird. Frauen schreien, werden gewürgt, geschlagen. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, der Lindemann bislang verteidigte, will erst jetzt über das Video in Kenntnis gesetzt worden sein und kündigte am Freitag deswegen an, sich von ihm zu trennen.
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