„Kaiser Franz“katapultierte Schladming in die Skigeschichte
Vor 50 Jahren schlug der Weltcupzirkus in Schladming erstmals seine Zelte auf. Seither wurde Geschichte geschrieben und viele Geschichten.
Gestatten, Schladming, künftige steirische Skihauptstadt. Na ja, so geht’s ja wohl nicht. Fragt sich nur, wie stellt man sich eigentlich der internationalen Skifamilie vor, beim ersten Kennenlernen? Die Antwort kann nur lauten: Schlag nach im großen Buch der Weltcupgeschichte. Wie sich Schladming nämlich vor 50 Jahren mit seinem ersten Weltcuprennen in die Skigeschichte katapultierte, ist selbst mit Superlativen nur recht unzulänglich beschrieben.
Was sich rund um den 22. Dezember 1973 in Schladming abspielte, beweist, dass die Realität oft besser ist als jedes Drehbuch. Dabei wäre es glatt gelogen, wollte man behaupten, die Planai hätte den Abfahrtsstars wie Russi, Collombin und Co vor der Premiere gröberen Respekt abgerungen. Das Gegenteil trifft es. Die Abfahrtsstrecke wurde von den Läufern wenig freundlich kommentiert, es soll gar von Langlauf die Rede gewesen sein. Böse, sehr böse – und ein bisserl voreilig, wie sich zeitnah zeigen sollte.
Am Tag vor dem Rennen schüttete es wie aus Kübeln, eine Absage der Weltcuppremiere schien unausweichlich. In der Nacht zum Renntag riss die Wolkendecke
auf, es war sternenklar und mit minus acht Grad bitterkalt. Die Planai wurde binnen Stunden zum steilsten Eislaufplatz der Welt. Die Strecke zeigte den Abfahrern die eiskalte Schulter: Von den ersten acht Startern kam genau keiner im Ziel an, das Rennen stand am Rande eines Abbruchs.
Lange sah es nach einem Doppelsieg für die Schweiz aus, Roland Collombin lag knapp vor Bernhard Russi an der Spitze. Dann kam ein 20-Jähriger, der das Wort „Angst“wohl im Wörterbuch nachschlagen hätte müssen und der später als „Kaiser Franz“in Österreich zu quasi royalen Ehren kam. Der junge
Franz Klammer flog, ruderte und strauchelte die Planai hinunter, holte im ersten Schladminger Weltcuprennen seinen ersten großen Sieg und meißelte mit einem unglaublichen WeltrekordSchnitt von 111,25 Kilometern pro Stunde sich und den frisch gebackenen Weltcuport Schladming in die Skihistorie.
19 Läufer wurden von der Planai abgeworfen, vor allem die Italiener traf es hart. Den meisten wurde eine nach außen hängende Kurve im Bannwald, knapp vor dem Zielhang, zum Verhängnis. Dort hatte damals ein Mann Dienst, der selbst Teil der großen Skigeschichte werden sollte. Hans Grogl war im Bannwald als Abschnittskommandant der Bergrettung eingeteilt. Mit seinen Kollegen sammelte er unter anderem den Italiener Roland Thöni auf. Mit einem gebrochenen Knöchel galt es den Athleten zum Roten Kreuz zu bringen. Fragte sich nur, wie. Grogl erinnert sich: „Per Akia (Rettungsschlitten) ins Tal abzufahren, war keine Option. Es war dermaßen eisig, dass es unmöglich war, den Läufer so ins Tal zu bringen.“So zog man Thöni im Schlitten zum nahen Bauernhof Spreizenberger, um ihn dort an das Rote Kreuz zu übergeben. Das verzögerte sich, weil das Rettungsauto wegen der Menschenmassen im Tal nur langsam vorankam. „Eine Stunde hat’s gedauert“, erinnert sich Grogl. Trotz Knöchelbruch wartete Thöni geduldig in der Küche des Bauernhofes.
Nach der spektakulären Premiere 1973 wurde Schladming zum Stammgast im Weltcupkalender. Abfahrten (meist im ZweiJahres-Rhythmus), auch Slaloms und Riesentorläufe standen auf dem Programm. Durch den WM-Zuschlag für SaalbachHinterglemm fielen Weltcuprennen in Restösterreich aus und Schladming flog aus dem Weltcupkalender. Hans Grogl erinnert sich: „Darauf haben wir uns zusammengesetzt, WSV, Planaibahn und Stadtgemeinde, und haben beraten, wie sich Schladming weiter im Sport präsentieren kann.“Bernhard
Knauss war zu dieser Zeit mehrfacher Weltmeister bei den Profis, was die Verantwortlichen in Schladming auf eine Idee brachte. „Wir sind zum Ed Rogers, dem Chef der US-Profi-Tour, geflogen und haben dort vier Profirennen für Schladming zugesagt bekommen“, so Grogl.
Eine hochriskante Operation, die auch prompt zum Bruch mit dem ÖSV und zur Sperre von Schladming für den Weltcup führte. Ganz geheuer dürfte der Schladminger „Seitensprung“mit der Profi-Tour dem ÖSV aber letztlich doch nicht gewesen sein. Immerhin machte Präsident Peter Schröcksnadel einen
Schritt auf Schladming zu. „Hört auf mit den Profis, ihr bekommt wieder eine Weltcuprennen“, schlug Schröcksnadel den Schladmingern vor, erinnert sich Grogl. Voraussetzung sei eine TV-taugliche Flutlichtanlage gewesen, um das Rennen am Abend fahren zu können. Beim FIS-Kongress 1996 wurde der erste Weltcup-Nachtslalom in den Rennkalender gehoben.
Skeptiker aus Schladming schimpften damals: „Ihr seid die größten Dodeln! Ein Rennen an einem Wochentag, in der Nacht und dann auch noch ein Slalom, da steht ihr alleine im Stadion draußen!“Sie irrten.
Zur Nachtslalompremiere am 30. Jänner 1997 kamen 25.000 Fans und die gerade einmal acht Gastronomiestände im Stadion waren zwei Stunden vor dem Start restlos ausverkauft.