Ampel übersehen: Pensionistin starb
Vier Monate bedingt für eine untypische Beschuldigte (18) nach tragischem Unfall.
Wie ein vorgezogener Aschermittwoch fühlte sich der Prozess an, den Richter Florian Farmer am Faschingdienstag am Straflandesgericht Graz verhandelte. Grob fahrlässige Tötung hat eine 18jährige Weststeirerin zu verantworten. Am späten Nachmittag des 6. Jänners bog sie mit ihrem Pkw in die B 70 ein, es war dunkel, regnerisch, schlechte Sicht. Sie kannte die Strecke und das Radar – das nicht anschlug. Sie fuhr nicht zu schnell, hatte 0,0 Promille, war weder übermüdet noch durch ein Handy abgelenkt.
„Ich habe nur den Aufprall gehört“, erinnert sie sich, um Fassung bemüht. „Ich kann mir den Unfall nicht erklären. Ich habe die rote Ampel und den Zebrastreifen komplett übersehen.“Sie leitete eine Vollbremsung ein, rannte zum Opfer zurück und kämpfte mit einem Sanitäter, der an der roten Ampel angehalten hatte, um das Leben der Pensionistin (74), bis die Rettung eintraf.
„Ich habe sofort realisiert, was passiert ist“, sagt sie zum Richter. „Ich habe getan, was ich noch tun konnte.“Der Ersthelfer sprach vom markerschütternden Schrei der 18Jährigen. „Wir sind niemandem persönlich böse“, sagen die Angehörigen der Toten, „aber das macht es für uns jetzt auch nicht wirklich besser.“Ihr Gesprächsangebot haben sie bisher abgelehnt.
Die Staatsanwältin verweist auf Geständnis und untadeliges Vorleben und beantragt, „mit Maß“vorzugehen. Der Jugenderhebungsbericht spricht der jungen Frau nur „positive Eigenschaften und eine klare Zukunftsperspektive“zu. Nicht betrunken, nicht zu schnell, nicht abgelenkt: „Sie sind nicht jemand, der sonst hier sitzt“, fasst der Richter zusammen.
Aber die Tat verlangt ein Urteil: vier Monate bedingt. „Es sind Fälle wie diese, bei denen man sich am Strafgericht etwas hilflos fühlt“, bekennt der Richter. „Egal, welche Strafe ich verhänge, man kann den Tod eines Menschen nicht rückgängig machen.“Sie nimmt an, das Urteil ist rechtskräftig. Erst dann kann sie ihre Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten. Alfred Lobnik