„Gewaltprävention würde mehr helfen als Strafen“
Nach mehreren Vorfällen von teils exzessiver Gewalt durch Minderjährige gibt es eine Debatte um eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Leser nennen einige Gründe dagegen.
Offen gesagt: „Kriminell jung“, 10. 3. und „Wir merken, dass viele Kinder aggressiver sind“, 11. 3.
Natürlich muss gehandelt werden. Dass Bundes- kanzler Nehammer aber nun als Reaktion auf Ge- waltexzesse das Strafmündigkeitsalter herabsetzen möchte, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Glaubt er allen Ernstes, dass eine solche Maß- nahme eine Besserung bewirkt, wenn ein härterer Kurs einge- schlagen wird und Kinder be- reits unter 14 Jahren wegge- sperrt werden können? Wie sol- len sie noch dazu wieder in die Gesellschaft integriert werden? Alle bisherigen Untersuchun- gen zeigen, dass speziell junge Menschen durch die Verschär- fung von gesetzlichen Straf- androhungen nicht erreicht werden.
Ich hoffe daher sehr, dass Ent- scheidungen jetzt wohlüberlegt und nicht aus puren Emotionen oder wahltaktischen Gründen heraus getroffen werden. Ge- waltschutzkonzepte an Schulen und Freizeiteinrichtungen, Ge- waltprävention, Beratungsan- gebote, psychotherapeutische Hilfen und sozialpädagogische Maßnahmen, dies würde meines Erachtens jedenfalls präventiv wesentlich mehr helfen.
Ingo Fischer, Lavamünd
Mehr Streetwork
Die Herabsetzung des deliktfä- higen Alters von Jugendlichen wird derart abscheuliche Miss- brauchsfälle wie zuletzt in Wien und Salzburg wahrscheinlich nicht verhindern. Den Opfern ist damit jedenfalls nicht geholfen. Es braucht wirkungsvolle Maß- nahmen, bevor etwas passiert: besserer Schutz von Kindern vor Übergriffen in Parks und Wohn- anlagen, die als soziale Brenn- punkte bekannt sind, durch mehr Streetwork und Jugend- vertrauenspersonen der Polizei, die an diesen Hotspots präsent sind, sowie niederschwellige Anlaufstellen im direkten Wohnumfeld, wo bedrohliche Si- tuationen anonym gemeldet werden können. Prävention sollte einen viel höheren Stellen- wert bekommen! Es braucht auch gezielte Projekte für Bur- schen aus migrantischen Milieus, die durch ein problemati- sches Verhalten gegenüber Mädchen und Frauen auffallen.
Veronika Stiebler, Bad Aussee
Abschreckung
Brutalität, sexueller Gewalt und Zerstörungswut von Kindern bzw. Jugendlichen, die jünger als 14 Jahre sind, kann nur mit abschreckenden Maßnahmen entgegengetreten werden. Es muss sich etwas ändern, um die Gesellschaft zu schützen, und um die Täter von Strafhandlun- gen abzuhalten. Schon bei der Planung menschenverachten- der Überfälle könnte dem Mach- trausch und der Tatausübung die Angst vor Haft entgegenwirken. Das Ausmaß von Strafen müsste dem Ausmaß der Verge- hen entsprechen, um den unter 14-Jährigen bei der Selbstein- schätzung ihrer Straftaten zu helfen. Ihnen fehlt – aufgrund von Empathielosigkeit, Langeweile oder nicht kanalisierter Wut usw. – oft die Klarheit über das Ausmaß ihrer Vergehen.
Ohne klare Auswirkung krassen Fehlverhaltens gibt es keine angemessene Einsicht über das angestellte Verbrechen! Aggressiven Kindern/Jugendlichen fehlt oft die Möglichkeit, zwischen Jugendsünde und kriminellen Handlungen zu unterscheiden, weil die Folgen für beide Taten einander ähneln. Daneben macht fehlendes Mitgefühl für ihre Opfer schwere Vergehen erst möglich.
Gleichzeitig müsste es auch viel mehr Geld für auszubauende Kinder- und Jugendgefängnisse und ausreichende therapeutische Hilfe ebendort geben. Sonst bleibt alles beim Alten und Flickwerk! Egon Hofer,
Maria Saal
Widersprüchlich
Das Interview mit Judith Hintermeier zeigt sehr gut die widersprüchlichen gesellschaftlichen Erwartungen, die heutzutage an Mütter und Väter ge
stellt werden. Einerseits fordert Hintermeier die Möglichkeit für Eltern ein, ihre Kinder in ganz- tägig geöffnete Bildungseinrichtungen zu geben, damit El- tern einer vollzeitigen Berufstä- tigkeit nachgehen können und nicht – besonders Frauen – „in die Teilzeitfalle getrieben wer- den.“Andererseits nimmt sie El- tern in die Pflicht, sich um „Er- ziehung und die Ausbildung an- derer Fertigkeiten“zu kümmern, denn Kindergarten (und wohl auch Schule) kann nur fa- milienunterstützend sein.
Ich frage mich, wie dies für El- tern schaffbar sein soll, neben einer Vierzigstundenwoche, dem Kümmern um Einkäufe und Haushalt, auch noch genü- gend Zeit für Kinder aufzubrin- gen, um sie in ihrer sprachli- chen, körperlichen, sozialen Entwicklung (und bei älteren Kin- dern schulischen Leistung) zu begleiten und zu unterstützen. Ich stimme mit Hintermeier überein, dass es dabei nicht so sehr um die Quantität als um die Qualität der gemeinsam ver- brachten Zeit geht. Dass es aller- dings schon ausreichen kann, – so Hintermeier – mit dem Kind gemeinsam am Abend ein Buch zu lesen, wage ich zu bezweifeln.
Ich bin selbst berufstätige Mutter von zwei Kindern und habe es bis jetzt nicht geschafft, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Um Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bringen, arbeite ich nicht Vollzeit – mein Mann schon. Und ja, manchmal möchten wir auch noch Zeit für unsere eigenen Bedürfnisse haben. Wir haben nämlich festgestellt, dass unser psychisches und physisches Wohlbefinden sich positiv auf die Familie auswirkt.
Christina Strangas, Weiz
Gewalt und Tod
Die Anzahl der Krimiserien im Fernsehen ist viel zu hoch. Gerade in den Hauptabendprogrammen werden die Menschen mehrmals pro Woche mit Gewalt und Tod konfrontiert und das Thema wird verharmlost – ja, zur Unterhaltung heruntergespielt! Dr. Gerhard
Straka, Graz