Immer mehr leiden unter Sehschwäche
Beratungszentrum des Grazer Odilieninstituts wird erweitert, da mehr Menschen unter altersbedingter Sehbeeinträchtigung leiden.
Wir können der Nachfrage nicht mehr nachkommen. Das Thema Sehbeeinträchtigung wird ein immer Größeres“, sagt Eva Hödl, Prokuristin des Odilien-Instituts in Graz, das seit 1831 Menschen mit Sehbehinderung unterstützt. Im Beratungszentrum des Instituts wird der Platz immer enger, der Bedarf steigt. „Es gibt an die 40.000 bis 50.000 Menschen in der Steiermark, die von Sehbeeinträchtigungen und Blindheit betroffen sind. Gerade in der Altersgruppe 60 nimmt es zu. Wir kommen mit Beratungsterminen nicht mehr nach“, erklärt Beraterin Kerstin Schierl.
Einen Anstieg kann auch der Mediziner bestätigen. „Ja, Augenerkrankungen nehmen zu. Das ist in erster Linie dem Älterwerden der Gesellschaft geschuldet. Auch das Rauchen, das in den 1980ern und 90ern groß in der Mode war, ist eine große Gefahrenquelle für Augenerkrankungen“, erklärt Martin Weger von der Augenklinik der Medizinischen Universität Graz. Zudem seien Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck als auch die Genetik erhebliche Faktoren für spätere Erkrankungen. Die Haupterkrankungen, die bei über 50-Jährigen zunehmend zum Thema werden, sind der graue (Katarakt) und grüne Star (Glaukom) sowie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Auch die Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen nimmt zu, was mit einer vermehrten Tätigkeit im Nahbereich und verminderter Aufenthaltszeit im Freien in Zusammenhang gebracht wird, sagt Weger.
Zurück zum Odilien-Institut. Derzeit haben die zwei Teilzeit-Betreuerinnen Kerstin Schierl und Katharina Fieder jährlich 500 bis 1000 Erstkontakte – die meisten telefonisch, da es nur wenige Beratungstermine gibt. „Das ist schade, denn hier können wir gerade älteren Menschen mit stärker werdender Sehbeeinträchtigung wichtige Empfehlungen geben und Sehhilfen vermitteln. Das kann dazu führen, dass sie wieder eigenständig den Haushalt führen und dadurch länger in den eigenen vier Wänden leben können.“
Das gebe wichtige Lebensqualität zurück. „Oft hat eine verbesserte Lichtsituation oder Vergrößerungshilfe bereits eine enorme Auswirkung“, sagt Katharina Fieder, die selbst zu 70 Prozent sehbeeinträchtigt ist, jedoch ein komplett eigenständiges Leben führt und unter anderem auch Rad fährt. Hödl ergänzt: „Damit sehen wir uns auch als Entlastung für das
stark belastete Gesundheitssystem.“Die Erstberatung ist kostenfrei, kann derzeit allerdings nur Dienstag und Donnerstag angeboten werden. Jetzt will man personell aufstocken, auch der Raum soll verdoppelt werden. „Es gibt Gespräche mit Land und Bund für Fördermittel, wir sind aber auch auf Spenden angewiesen“, erklärt Hödl. Zudem wolle man die Bekanntheit des Beratungszentrums ausweiten.
Abschließend rät der Augenmediziner präventiv zu zwei Maßnahmen: Vorsorge und Lebensstil-Veränderungen. Weger: „Es lohnt sich der regelmäßige Gang zum Augenarzt oder zur Augenärztin und Vorsorgeuntersuchungen auch in jüngeren Jahren. Gerade wenn es eine familiäre Vorbelastung bei grünem Star und AMD gibt, ist die Gefahr höher, selbst daran zu erkranken. So ist es zum Beispiel beim Glaukom entscheidend, frühzeitig die Diagnose zu stellen und den Augendruck zu senken.“Aber auch Lebensstil-Änderungen, wie gesündere Ernährung, Fitness und „Nikotin-Abstinenz“, seien vorbeugende Maßnahmen für AMD und Netzhautgefäßerkrankungen.