Reise durch das Kriegsgebiet Amerika
Regisseur Alex Garland verwandelt in „Civil War“die USA in ein Bürgerkriegsland. Es läuft einem kalt über den Rücken.
Ein zweiter Bürgerkrieg in den USA war nie so wahrscheinlich wie nach der Ära Trump. Umso provokanter ist damit Alex Garlands neuer Film „Civil War“, der genau dieses Szenario ins Kino bringt. Die Geschichte folgt der erfahrenen Kriegsfotografin Lee Smith, unterkühlt gespielt von Kirsten Dunst. Der Bürgerkrieg zwischen den Rest-USA eines autoritären Präsidenten, den Western Forces von Kalifornien und Texas und den Sezessionisten der Florida Alliance tobt schon länger. Washington, D.C. ist kurz vor dem Fall. Genau dorthin will Lee zusammen mit dem Journalisten Joel für ein letztes Interview. Auf den Straßen von New York rettet sie die blutjunge Fotografin Jessie vor einer Bombenexplosion, die sich ihnen anschließt, ebenso wie der Reporter-Veteran Sammy.
Diese Roadmovie-Reise durch ein amerikanisches Bürgerkriegsland ist der eigentliche
Geniestreich von Garland. Denn plötzlich wird die aus unzähligen Filmen bekannte Ostküsten-Landschaft der USA zu einem bedrohlichen Territorium, wo hinter jeder Ecke Gewalt lauert. Nie ist klar, wer zu wem gehört und welche Miliz wofür kämpft. In einer der besten Szenen des Films brilliert Dunsts Ehemann Jesse Plemons in einer kleinen Rolle, bei der es einem kalt den Rücken hinunterläuft.
Auch die Perspektive der klassischen Fotoreporterin - im 21. Jahrhundert fast anachronistisch - erweist sich als raffiniert. Die journalistische Zeugenschaft bringt eine Distanz zum Wahnsinn des Krieges, der sogar die Intensität der Kampfszenen gegen Ende noch einmal bricht.
Die starken Schauspielleistungen von Dunst, „Priscilla“Darstellerin Cailee Spaeny sowie Wagner Moura und Stephen McKinley Henderson fesseln, auch wenn der Plot des Films vielleicht ein wenig zu geradlinig und nur begrenzt episch angelegt ist und durchaus auch Potenzial am Wegesrand liegen lässt.
Je mehr in den USA und hierzulande über die Radikalisierung rechtsextremer Kräfte mit ihrem Phantasma eines Bürgerkriegszustandes debattiert wird, desto näher wirkt dieses Zukunftsszenario. „Civil War“ist intelligent genug, nicht in eine zu spezifische politische Dystopie abzugleiten. Das gibt dem Film eine offen interpretierbare Ebene. All die Bilder, die wir aus der Ukraine und anderen Kriegsgebieten zu sehen bekommen, sind hier nun in Hollywood-Bildern auf die Vereinigten Staaten zurückgespiegelt. Bleibt zu hoffen, dass der „Civil War“2024 auf die Kinoleinwand begrenzt bleibt.