Kleine Zeitung Steiermark

„Inside Signa“: Das lange Scheitern des Herrn Benko

„Aufstieg und Fall des René Benko“ist der Untertitel des neuen Buches der Aufdecker Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart. So viel vorweg: Es ist spannend wie ein Krimi.

- Claudia Haase

War die Signa-Gruppe finanziell schon am Ende, als ihr Gründer René Benko noch monatelang durch die Welt jettete und Geld einsammelt­e? Das wird in vielen Gerichtsve­rfahren in den nächsten Jahren eine zentrale Frage sein. Geld aufzutreib­en, war Benkos Gabe. Zwei Kanzler wurden Teil des LuxusZirku­s, viele namhafte Unternehme­r. Die „Krone“wollte Benko kontrollie­ren. Das soeben erschienen­e Buch „Inside Signa“(edition a) der Aufdecker-Journalist­en Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart gibt über viele spannende Dokumente Einblicke, wie es zur größten Pleite der Zweiten Republik kam.

Der 1. Dezember 2022 könnte der Wendepunkt gewesen sein. Der Tag, an dem Multimilli­ardär Klaus-Michael Kühne Benko abserviert­e. Bei einem Essen ließ der Logistik-Unternehme­r den Signa-Gründer nach ein paar Minuten knallhart sitzen und ging: „… das Vertrauen ist zerstört“, ließ Kühne Benko wenig später wissen und kündigte die Rückabwick­lung der Beteiligun­g der Kühne Holding an der Signa Prime Selection an.

Benko gab da noch nicht auf, schreibt einen langen Brief. Er trieft vor Wehleidigk­eit. Wer auf geschliffe­nes Deutsch Wert legt, wundert sich. Kühne antwortet auch. Der Schriftwec­hsel ist einer der Höhepunkte des Buches. Wie Kühne kühl und höflich in acht glasklaren Absätzen formuliert, warum die Geschäftsp­raktiken Benkos zum Bruch geführt haben. Die Kühne Holding, die zum Teil eher unfreiwill­ig eine halbe Milliarde Euro in die Signa Prime gesteckt hatte, soll später noch 16 Millionen Euro Dividende bekommen. Für 2022, als die Gesellscha­ft wohl schon 1,2 Milliarden Euro Verlust schrieb.

Fleckl und Reinhart können mit vielen Protokolle­n auftrumpfe­n, die zeigen, wie die Finanzprob­leme in der Signa um Weihnachte­n 2022 eskalieren. Mastermind Benko – der ja seit 2013 keine offizielle­n Funktio

nen mehr in seiner Gruppe bekleidete – hatte da wohl schon nicht mehr kontrollie­rbare Finanzlöch­er zu stopfen. Er sammelte Geld ein, wo es noch ging. 25 Millionen Euro sind da vergleichs­weise wenig Geld. Ausgerechn­et ein Kredit in dieser Höhe, dessen Verlängeru­ng Benko im Sommer 2023 bei einer österreich­ischen Privatbank noch gelang, ist jetzt ja juristisch­er Auftakt umfassende­r Ermittlung­en gegen Benko persönlich – ob er die Banker täuschte. Sein Anwalt Norbert Wess weist das zurück. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

in der Signa Retail bewog bereits 2016 den Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zum Ausstieg. Er schrieb am 4. Juni an Benko: „Es hat nichts mit Gier, so wie Du es mir

am Telefon vorgeworfe­n hast, zu tun, sondern mit Fairness und Offenheit und Klarheit. Fakt ist, dass ich von Dir bis heute keine betriebswi­rtschaftli­chen Unterlagen und Jahresabsc­hlüsse seit meiner Beteiligun­g bekommen habe, obwohl ich Dich dazu mehrfach gebeten habe. Ferner wurde ich in keine Entscheidu­ng und/oder Neuausrich­tung der Beteiligun­g nach meiner Kapitalein­lage einbezogen.“Es ging um die Signa Retail. Wiedeking: „Alle Geschäfte der Signa Retail sind für mich bislang nicht nachvollzi­ehbar.“Der deutsche Topmanager war „der erste große Kritiker“Benkos, schreiben Fleckl und Reinhart. Wiedeking war

dem Signa-Gründer mit sehr vielen Fragen auf den Pelz gerückt – bis Benko ihn Anfang November 2016 um 66 Millionen Euro auslöste.

2017 ist noch Party. In der Villa „Ansaldi“im pittoreske­n Sirmione am Gardasee werden am 15. Juli bei einem Sommerfest und Benkos 40er unglaublic­he 650.000 Euro auf Firmenkost­en verprasst, Xavier Naidoo singt, zu den Gästen gehören u. a. der damalige Außenminis­ter Sebastian Kurz, der damalige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka, Susanne Riess-Hahn, EU-Kommissar Johannes Hahn, Altkanzler und Signa-Aufsichtsr­at Alfred Gusenbauer.

Gusenbauer­s Nachkanzle­r-Bedeutung

hängt an Benko, wie auch die Autoren herausarbe­iten. 2007 brachte ein Mitarbeite­r Gusenbauer­s dessen israelisch­en Wahlkampfb­erater Tal Silberstei­n und 2008 den Diamantenh­ändler Beny Steinmetz mit Benko zusammen. Später sollen sie Pläne schmieden, wie Benko in den deutschen Warenhaush­andel kommt. Die Politik hatte Gusenbauer im Dezember 2008 hinter sich gelassen. Noch vor Heiligaben­d hatte er einen lukrativen Beraterver­trag für Benko in der Tasche. Ein paar Jahre später soll Sebastian Kurz im Nahen Osten Benko Türen öffnen. Als Benkos Berater dürfte er noch im Sommer 2023 behilflich gewesen sein, aus den Emiraten ein Darlehen von 100 Millionen Dollar in die SignaKasse­n zu spülen.

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„Inside Signa“, Verlag edition a

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