Der ewige Traum vom blauen Blut
Am 27. April feiert Lullys und Molières Ballettkomödie „Der Bürger als Edelmann” als Koproduktion mit dem Schauspielhaus Premiere auf der Bühne der Oper Graz.
Die erste Koproduktion zwischen Oper und Schauspielhaus seit 20 Jahren lockt mit Barockspezialist Konrad Junghänel am Pult der Grazer Philharmoniker, Regie-Shooting-Star Matthias Rippert und einem opulenten Ensemble aus den Sparten Schauspiel, Tanz und Oper.
Gesellschaftlich mehr darzustellen, etwas Besonderes zu sein, aus der Masse herauszuragen und zu den Schönen und Mächtigen zu gehören, ist ein zutiefst menschlicher und leicht durchschaubarer Wunsch. Von dieser Idee besessen ist auch Monsieur Jourdain, ein reicher Kaufmann und der Titelheld von Jean Baptiste Lullys und Molières Ballettkomödie „Der Bürger als Edelmann”. Finanziell üppig ausgestattet setzt Jourdain alles in Bewegung, um den ersehnten Adelsstand zu erklimmen. In materieller und ideeller Hinsicht will er es den Blaublütigen gleichtun: ein schicker Anzug und philosophische Kenntnisse gehören genauso dazu wie Fertigkeiten in Musik, Tanz und Fechten. Die fixe Idee Jourdains wird von den Menschen seiner Umgebung skrupellos ausgenutzt und jede Möglichkeit, ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen, genutzt. Seiner Tochter Lucile verweigert Jourdain die Heirat mit ihrem Geliebten, dem bürgerlichen Cléonte, und so muss sich dieser in einen Schwiegersohn-Kandidaten verwandeln, der alle Erwartungen Jourdains übertrifft und die Macht besitzt, ihn in den Adelsstand zu erheben. Als sich der imponierende Blaublüter als der verkleidete Cléonte entpuppt, ist es zu spät und Lucile und er bereits verheiratet.
Nicht weniger abenteuerlich und ebenfalls nicht frei von
menschlichen Schwächen sind die Entstehungsumstände des bis heute noch erfolgreich an der Comédie Française regelmäßig aufgeführten Werkes: Jean-Baptiste Lully, Hofkomponist des Sonnenkönigs Ludwig XIV., war als musisch begabter Knabe an den französischen Hof verkauft worden. Seine Begabung als Musiker und Tänzer ließ ihn schnell zu einem umworbenen Künstler aufsteigen, der auch mit dem König selbst die Bühne teilte. Mit seinem sicheren Blick für Kunst holte Ludwig noch einen Dritten ins Boot, den Schriftsteller und Schauspieler Molière. Als auf die Laune des Sonnenkönigs ein Schatten fiel, weil er sich durch das vermeintlich respektlose Verhalten eines türkischen Gesandten gekränkt fühlte, beauftragte er Molière damit, literarische Rache an den Türken zu nehmen. Diesem kam der Auftrag höchst ungelegen, schrieb er doch gerade an einem Stück über einen Bürger, der zum Edelmann aufsteigen will. Er wäre nicht Molière gewesen, wäre es ihm nicht gelungen, das eine mit dem anderen auf höchst amüsante Weise zu verbinden.
1670 am Hofe Ludwigs XIV. uraufgeführt, besitzt „Der Bürger als Edelmann“die Gestalt eines frühen Gesamtkunstwerkes. Gemeinsam knüpfen Schauspielhaus Graz und Oper Graz an diesen Ursprung als spartenübergreifendes Spektakel an. Unter der musikalischen Leitung des Barock-Spezialisten Konrad Junghänel und in der Inszenierung von Matthias Rippert und seinem Team wird die barocke Komödie zwischen Geschichte und Gegenwart lustvoll entstaubt und als turbulenter Spaß zelebriert.