Appetit auf Tankstellen nimmt zu
Handelsriesen Billa und Spar wollen Zahl der Tankstellenshops noch weiter ausbauen, Details verrieten sie der Kleinen Zeitung.
Schon mehrmals angekündigt, ist von einem „Tankstellensterben“in Österreich weiter keine Spur. Im Gegenteil sogar. Die jüngste Auswertung des Fachverbandes der Mineralölindustrie (FVMI) in der Wirtschaftskammer weist für Österreich exakt 2751 Stationen auf. Das sind zwar um acht weniger als Ende 2022, doch mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre erweist sich der Tankstellenmarkt – trotz stattfindender Umbrüche – als sehr robust.
Tankstellen, das schließt teilweise auch die wachsende Zahl der Automaten mit ein, sind zur wichtigen (Zapf-)Säule in der Nahversorgung geworden. Aktuell gibt es bei mehr als jeder zweiten öffentlichen Tankstelle einen Shop, 1441 sind es genau.
Der Großteil entfällt auf die sogenannten „Major Brands“Eni (310), BP (241), OMV (204), Shell (208) und Jet (154). Immer öfter setzen die Tankstellenbetreiber auf Kooperationen mit dem Lebensmittelhandel. Rewe hat sich zum Vorreiter gemausert, der Handelskonzern beliefert nach eigenen Angaben 607 Tankstellenshops in Österreich, 42 Prozent aller Einkaufsmöglichkeiten im Tankstellennetz.
Die Shops muten nicht von ungefähr wie Minisupermärkte an. Das Netz der 162 Jet-Stationen ist fast flächendeckend mit „Billa Stop & Shop“ausgestattet, 72 Shell-Shops heißen „Billa Unterwegs“, 84 BP-Märkte „Billa Now“, 41 OMV-Shops „Billa Viva“– wobei Rewe auch eine Vielzahl (noch) nicht gebrandeter Läden ihrer Partner beliefert. Das Konzept Billa an der Tankstelle werde weiter ausgerollt, erklärt das Unternehmen der Kleinen Zeitung: „Unsere Co-Branding-Konzepte werden laufend weiterentwickelt und von unseren Partnern zur Umsetzung gebracht. Zum Beispiel wird unser Partner OMV 2024 weitere ‚Billa Viva‘-Shops an seinen Stationen eröffnen.“
Auch die Handelskette Spar bestätigt der Kleinen Zeitung Expansionspläne an den Tankstellen. Derzeit kooperiert der Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel vor allem mit Turmöl. Die Marke „Spar express“verteilt sich auf 70 TurmölStandorte und auf zehn weitere Stationen regionaler Mineralölhändler wie Leitner in der Steier
mark. Noch frisch ist die Zusammenarbeit mit Eni. In Wien, Salzburg und Graz wurden drei „Despar express“-Märkte eröffnet. Warum „Despar express“? Eni ist ein italienischer Energiekonzern und Spar nennt sich in Italien Despar. „Italienisches Lebensgefühl beim Tanken und Einkaufen“, lautete das Motto beim Start vor einem Jahr.
„Derzeit läuft noch die Testphase mit Eni. Beide Seiten sind aber sehr zufrieden. Also hoffen wir, dass noch mehr Standorte dazukommen und Eni mit ‚Spar express‘ expandieren wird“, erklärt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Das Potenzial wäre enorm, Eni betreibt mit 325 Tankstellen und 310 Shops das größte Netz in Österreich, Marktanteil: 11,8 Prozent.
Treibstoff-Diskonter Turmöl zählt mit 267 Tankstellen zu den Größten der Branche. In die 114 Shops holte die Kette nicht nur Spar, sondern auch Nah&frisch, eine Einkaufsgemeinschaft von Nahversorgern, an der die Großhändler Kastner, Kiennast und die Uni-Gruppe beteiligt sind.
Die Tankstellenshops firmieren unter „Nah&frisch punkt“und spielen auch bei Eni und Socar eine Rolle. Socar, staatlicher Energiekonzern von Aserbaidschan, übernahm ab 2019 die A1Tankstellen, 42 der 87 Stationen haben einen Shop, davon wiederum 14 Nah&frisch. „Wirtschaftlich sind die Shops sehr wichtig für unsere Tankstellen“, lässt Oliver Krammer, Chef von Socar Österreich, keinen Zweifel, dass weitere „Nah&frisch punkt“hinzukommen könnten.
Socar, OMV, Turmöl, Avanti und die Asfinag kooperieren zudem mit der „Bistrobox“. Deren Geschäftsführer Klaus Haberl will ein Shopkonzept für die steigende Zahl unbemannter Tankstellen – Stichwort Personalmangel – gefunden haben. Die OMV-Tochter Avanti (135 Tankstellen) etwa betreibt ausschließlich Automaten. Laut Fachverband sind in Österreich aktuell 911 Tankstellen, also jede dritte, mit Tankautomaten bestückt. Die „Bistrobox“, von der es bis dato 40 Standorte gibt und die eine Expansion ins Ausland anstrebt, ist aber kein Lebensmittelhandel, sondern bietet (warme) Snacks, Getränke, Zubehör, in Summe 100 bis 150 Artikel – aus Automaten.
Doch könnte es in ferner Zukunft auch an unbemannten Tankstellen Shops von Supermarktketten mit 1000 bis 2000 Artikeln geben. Kommt dafür die „Billa-Box“infrage?
Rewe zur Kleinen Zeitung: „Wir evaluieren und prüfen laufend neue Konzepte für die Weiterentwicklung von Shops und profitieren dazu vom internationalen Austausch der ReweGroup-Länder. So werden zum Beispiel unbemannte Stores in Litauen getestet.“