So öffentlich und so privat
Eine Frau und ihr Töchterchen, vertieft in ein zärtliches Spiel. Ein Schnappschuss? Seidenkleid und Perlenkette der jungen Mutter verweisen auf einen äußeren Anlass: Das Bild entstand im Zuge eines Wahlkampf-Familienporträts, es zeigt eine der berühmtesten Frauen des 20. Jahrhunderts, Jackie Kennedy, mit ihrer Tochter Caroline. Ihr Mann John F. Kennedy wurde drei Monate später, am 8. November 1960, zum US-Präsidenten gewählt.
Jackie Kennedy, deren Todestag sich in einer Woche zum 30. Mal jährt, hat als First Lady einen immens fordernden Job, der so aussehen musste, als sei er gar keiner, neu definiert: Die gebildete, glamouröse Kosmopolitin trug als Stilikone und Repräsentantin ihres Mannes entscheidend zu seiner Markenbildung als Held politischer Erneuerung bei – und nach seiner Ermordung 1963 auch zu seinem Nachruhm. Nicht von ungefähr nannte der Schriftsteller Norman Mailer sie einmal eine „Weltenschöpferin“: Jackie war die perfekte Verkörperung des Aufbruchs, auch wenn ihr Bild in der Öffentlichkeit dem einer typischen Frau ihrer Zeit zu entsprechen schien: Unterstützerin ihres Mannes, Hüterin des Familienlebens. Es war ein öffentliches Bild, das sie sorgfältig hegte und kontrollierte, zugleich engagierte sie sich in Kunst- und Bildungsfragen und pflegte beste Beziehungen zur Presse.
Sie hatte eine Laufbahn als Fotografin und Journalistin im Auge gehabt. Nachdem sie zum zweiten Mal Witwe geworden war (Ihr zweiter Mann, der Reeder Aristoteles Onassis, starb 1975), arbeitete sie als Verlagslektorin. Kinder die Liebe zu Büchern zu lehren, sagte sie einmal, mache deren Welt entscheidend größer. Und: „Wenn du die Erziehung deiner Kinder verpfuschst, zählt alles andere nicht mehr viel.“
Zwei Kinder hat Kennedy selbst großgezogen, fünf hat sie geboren. Es ist ein wenig bekannter Aspekt in einem der öffentlichsten Leben des 20. Jahrhunderts: Eine erste Schwangerschaft mündete in eine Fehlgeburt, ihr erstes Kind Arabella kam tot zur Welt, das jüngste, Patrick, ein Frühchen, geboren drei Monate vor Präsident Kennedys Ermordung, lebte nur zwei Tage. Darüber wurde in jenen Jahren nicht geredet.
Man dürfe sich nie von seiner Traurigkeit bezwingen lassen, auch dieser Satz ist von Jackie überliefert, er war vielleicht nicht nur auf den Tod ihres Mannes gemünzt. Aber sie sagte auch: Ihre Kinder seien ein wunderbares Geschenk gewesen, und die Welt durch ihre Augen sehen zu dürfen, habe ihr den Glauben an die Zukunft zurückgeben. Auch weit jenseits von Glamour und Katastrophen kennedyscher Ausmaße ist das gut nachfühlbar angesichts all dessen, das uns das Leben so beschert.