„Vollbrett“, Tränen und eine voreilige Single
Zum sechsten Mal ist der SK Sturm Teil eines Thrillers am letzten Spieltag. Bei den bisherigen „Endspielen“erlebten die Grazer eine Achterbahn der Gefühle.
In sportlicher Hinsicht gibt es für alle Beteiligten kaum Nervenaufreibenderes, als wenn nach einer langen Meisterschaft die Titelentscheidung erst in der letzten Runde fällt. Der SK Sturm erlebt nach 13 Jahren wieder ein „Grande Finale“– zum sechsten Mal in der Bundesliga. Die „Endspiele“wurden zur wahren Achterbahn der Gefühle. Zwei Mal ging es gut aus, drei Mal strauchelte man.
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Die Erinnerungen an den bis dato jüngsten Meistertitel in Schwarz-Weiß sind bei vielen Sturm-Fans vermutlich noch präsent. Die Grazer gingen mit zwei Punkten Vorsprung auf Austria Wien in die letzte Runde und machten dank eines späten Siegtreffers von Samir Muratovic gegen den FC Wacker alles klar. Die Austria unterlag zeitgleich Salzburg mit 2:4 und musste Platz zwei noch an die „Bullen“abtreten. Die Feierlichkeiten in Liebenau bleiben unvergessen. Meistertrainer Franco Foda musste Haare lassen, Verteidiger Thomas Burgstaller hatte schon bei der Tellerübergabe
ein „Vollbrett“. „Jetzt feiern wir ein paar Tage durch“, kündigte Torschütze Andreas Hölzl an. „Wenn mir jemand vor der Saison prophezeit hätte, dass wir Meister werden, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, gestand Sportdirektor Oliver Kreuzer.
Sturm: Gratzei; Standfest, Schildenfeld, Pürcher, Perthel; Hölzl (88. Ehrenreich), Kienzl, Weber, Kainz (76. Haas); Kienast (68. Muratovic), Szabics. Tore: Hölzl (14.), Muratovic (84.) bzw. Hauser (29.)
27. Mai 2000: Ried – Sturm 1:1
Sturm ging 2000 mit der Hoffnung
auf den dritten Meistertitel in Folge in den letzten Spieltag, erfüllte jedoch die eigene Pflicht nicht. Die Grazer hatten eine Runde vor Schluss zwar die klar bessere Tordifferenz als Tabellenführer FC Tirol, allerdings auch einen Punkt Rückstand. Das 1:1 in Ried hätte also nur im Falle eines Innsbrucker Ausrutschers zu Hause gegen Austria Wien gereicht. Zwischenzeitlich war Sturm in diesem Fernduell sogar rund 25 Minuten lang Meister, doch Tirol behielt die Nerven. „Ich habe immer gewusst, dass die Tiroler keine dummen Menschen sind und
auch Fußball spielen können. Tirol ist ein würdiger Meister“, gratulierte Präsident Hannes Kartnig fair.
Sturm: Schicklgruber; Foda (85. Reinmayr); Neukirchner, Milanic (80. Strafner); Schopp, Fleurquin, Schupp, Kocijan, Prilasnig; Juran (62. Szabics), Vastic. Tore: Fading (78.) bzw. Kocijan (11.).
29. Mai 1999: Sturm – FC Tirol 3:0
Als sich Freuden- und Abschiedstränen vermischten. Der ausgewechselte Mario Haas weinte hemmungslos an der Schulter von Trainer Ivica Osim, weil er den Klub in Richtung Straßburg verließ. Bei seinem vorerst letzten Auftritt schoss Haas Sturm per Doppelpack zum Meistertitel, Jan-Pieter Martens traf ebenfalls. Die Grazer gingen mit einem Punkt Vorsprung auf Rapid, aber ohne den gesperrten Ivica Vastic in die letzte Runde und sicherten mit dem Sieg den zweiten Meistertitel in Folge. Osim dankte Matchwinner Haas: „Ich bin immer traurig, wenn so ein Spieler den Verein verlässt. Ihn zu ersetzen, ist fast ausgeschlossen.“
Sturm: Sidorczuk; Foda; Neukirchner, Popovic; Schopp, Mählich, Schupp (76. Minavand), Martens, Prilasnig; Reinmayr (83. Berco) , Haas (76. Kocijan). Tore: Haas (11., 74), Martens (48.)
1. Juni 1996: Rapid – Sturm 2:0
Mehr Endspiel geht nicht! 1996 trafen die beiden Titelrivalen Rapid und Sturm im restlos ausverkauften Happel-Stadion in einem emotionalen direkten Duell aufeinander. Beide Teams verfügten über eine Tordifferenz von plus 28. Die Grazer rangierten drei Punkte hinter den Wienern, wären also bei einem Sieg Meister geworden. Aber die Hütteldorfer, im selben Jahr auch Europacup-Finalist, jubelten. „Die Europacup-Spiele haben Rapid reifer gemacht. Aber ich bin nicht sehr enttäuscht, wir haben ja noch die Chance auf den Cupsieg“, erklärte Präsident Hannes Kartnig. Der Cupsieg gelang vier Tage später tatsächlich. Es war die erste nationale
Trophäe der Klubgeschichte. In der Bundesliga wurde Sturm zum zweiten Mal in Folge Vizemeister. Streng genommen hatte die Osim-Elf auch in der Saison davor am letzten Spieltag noch die theoretische Chance auf den Meistertitel, bei einem Sieg Rückstand beziehungsweise einer um zehn Treffer schlechteren Tordifferenz auf den angehenden Champion Austria Salzburg jedoch rein rechnerischer Natur.
Sturm: Gill; Tschernyschow; Milanic, Posch (59. Prilasnig), Schopp, Swierczewski, Hörmann, Wetl, Gruber (59. Reinmayr); Vastic, Haas (62. Neukirchner). Tore: Pivarnik (7.), Stumpf (87.)
20. Juni 1981: Sturm - Rapid 1:4
Mit Schützenhilfe hätte Sturm schon in der vorletzten Runde Meister werden können, spielte beim LASK jedoch 2:2. Abergläubische Fans müssen jetzt ganz stark sein, denn damit ist nicht die laufende Saison gemeint. 1980/81 gingen die „Blackies“trotz des Punkteverlusts in Linz als Tabellenführer ins Meisterschafts-Finish, hätten „nur“das Heimspiel gegen Rapid gewinnen müssen, hielten diesem Druck jedoch nicht Stand. Mit 1:4 ging Sturm im mit 22.000 Zuschauern gefüllten Bundesstadion Liebenau unter. Zum Meister krönte sich Austria Wien dank eines 6:1 gegen den GAK. „Wir spielten im letzten Match gegen Rapid nicht so schlecht, aber das Team war nicht reif genug. Psychologisch“, erinnerte sich der damalige Trainer Otto Baric im „SturmEcho“. Der Song „SK Sturm wird neuer Meister“der Schlagerband White Stars schallte etwas voreilig aus dem Radio, schaffte es jedoch als beliebter YouTube-Klassiker in die Gegenwart. Der eigens produzierte Meistersekt wurde umetikettiert als „Vizemeistersekt“zum Sammlerstück.
Sturm: Saria; Grössinger, Schilcher, Pichler, Schauß; Breber, Steiner, Stendal (62. Hörmann), Kulmer (46. Pfleger); Jurtin, Bakota. Tore: Bakota (49.) bzw. Keglevtis (38., 67.), Krauss (48., 88.)