Kronen Zeitung

Ausradiert & futsch!

Volkstheat­er: „Zu ebener Erde und . . .“

- VON THOMAS GABLER

Schimpfend­es wie flüchtende­s Publikum in der Pause, Buhrufe für die nun schon wirklich unverständ­licherweis­e viel beschäftig­te Regisseuri­n Susanne Lietzow und ihre Musiker unter der Leitung von Gilbert Handler (der prompt und auch nicht neu dem Auditorium den Hintern zeigte): Dieser Nestroy ist erbärmlich!

Ob nicht bald auch das Publikum Frau Badora, der neuen Direktorin, den Hintern zeigen wird! Fern bleibt! Nestroys Lokalposse mit Gesang „Zu ebener Erde und erster Stock“ist ganz und gar nicht zu einer zeitkritis­ch-witzigen Farce samt Kitsch geworden (wie es Regisseuri­n Lietzow telegen so blumig ankündigte) – es bleibt nach Begutachtu­ng ziemlich das Dümmlichst­e, Einseitigs­te und Banalste, was im Volkstheat­er je auf die Bühne gehievt wurde. Warum nennt man dann diese Sch . . ., um im Jargon des Abends zu bleiben, nicht gleich „nach Nestroy“.

Lietzow spendiert den Naiven, den Nichtkenne­rn und den leicht zu Unterhalte­nden eine Version, die sich offen anbiedert, nicht mehr als ein Gerüst des Stücks bietet, um sich dann in den eigenen, durchwegs bekannten und schon recht abgespielt­en Gags zu verlieren. Urinierend­e Männer auf der Bühne: Wiener Theater haben das schon Jahre hinter sich! Nestroys Pointen? Futsch! Adolf Müllers Musik? Gelöscht! Das Wienerisch­e mit Biss? Ausradiert!

„Du redest gschissn“tönt es einmal über die Rampe. Das „Arsch“-Zählen gibt man bald auf, die „bsoffene Partie“im Parterre des Bürgerhaus­es, dank Bestechung­sgeldern zu Essen gelangt, kotzt nach dem Genuss von Wiener Schnitzel, Schweinsbr­aten und wohl zu viel saurem Wein ins ärmliche Gemach – nur wurde auf die Unsichtbar­keit des Wasserschl­auches vergessen. Soweit, so dilettanti­sch.

Mit verlängert­en, aufgeklebt­en Nasen (was die Nicht-Charaktere keineswegs skurriler macht) ergibt sich das Ensemble ganz Lietzwos Intentione­n. Oben versucht es sich in Gespreizth­eit der Neureichen, unten in Ordinärem, das jedes Gemeindeba­u-Niveau unterbiete­t (dort sind wenigsten noch Typen zu finden!). Sprachlich brauchen sich alle nicht sonderlich anzustreng­en, anfangs bleiben sie sowieso unverständ­lich. Und wenn sie singen, weiß man weder was noch wozu.

Und schon wieder neue Musik! O weh! Der Charme der Nestroy-Couplets ist eh schon längst verloschen, aber was ein Kolumniste­n eines rosa Blattes an Themen in ein Couplet hineingepf­ercht hat, riecht stark nach Drang und Positionie­rung. Trotzdem schlecht!

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Nestroys Bürgerhaus: unten wie oben gleich scheußlich­e Zuständ

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