Bitte keine Massenquartiere!
Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher der österreichischen Wirtschaftskammer und Obmann der Interessensgemeinschaft Private Immobilienwirtschaft(IGPI) fürchtet einen sozialen Zusammenbruch in Wien. Die Gründe dafür erläutert er im Interview mit wohnkrone.at.
Herr Ulreich, Sie verkünden in letzter Zeit in den Medien, dass Wien auf eine soziale Katastrophe zusteuert. Warum?
Weil wir eine Zuwanderungsrate haben wie in der Gründerzeit. Das Wohnraumangebot ist ohnehin schon knapp, jetzt wird es, wenn die Politik nur zuschaut, zu einer Riesenkluft zwischen Angebot und Nachfrage kommen. Das Resultat sind explodierende Mieten für Kategorie Z Wohnungen, vermietet von unseriösen Anbietern, von Kriminellen!
Der Flüchtlingsstrom schadet dem Wiener Wohnungsmarkt?
Nein, der muss aus menschlichen Gründen und einer moralischen Verpflichtung absolut zu bewältigen sein. Was schadet, sind die aktuellen po- litischen Rahmenbedingungen für Wohnbau und für Sanierungen in Wien. Dass Wien wächst, war schon vor den Flüchtlingen kein Geheimnis, und dass der Wohnbau hinterherhinkt auch nicht. Sozial gefährdete Menschen mit wenig Einkommen werden schon lange nicht mehr ausreichend von der Stadt Wien versorgt. Über 50 Prozent leben bereits heute in einer privaten Wiener Mietwohnung. 2000 Gemeindewohnungen mehr bis zum Jahr 2020 angesichts Zuwandererzahlen von über 50.000 allein für 2016 sind da wohl zu wenig.
Die Stadt Wien soll also mehr bauen?
Sie soll sich darum kümmern, dass die privaten Bauträger mehr bauen und investieren! Denn das tun sie nicht aufgrund der vielen rechtlichen Hürden! Die notwendigen Gesetzesänderungen kosten keinen einzigen Steuereuro, ganz im Gegenteil. Mit einem politischen Beschluss setzt man Millionen an Euro in Form von Privatinvestitionen frei, die jetzt auf der Bank vor sich hinlungern.
Welche Gesetzesänderungen meinen Sie genau?
Als erstes einmal muss man jene Bauvorgaben abschaffen, die an der Realität vorbei gehen. Das betrifft weit überzogene Maßnahmen etwa bei Stellplatzvorschriften oder beim Brandschutz. Der Bürger muss sich das so vorstellen: die Bauregelungen sind so überzogen, als ob man beim Auto vorschreiben würde, jeder Kleinstwagen braucht kugelsichere Autoscheiben. Das macht dann einen Skoda unbezahlbar. In der Baubranche ist es aber so. Es ist unmöglich kostengünstig zu bauen. Da sind wir uns mit den gemeinnützigen Bauträgern vollkommen einig.
Die gemeinnützigen Bauträger ziehen mit den privaten an einem Seil?
Bei den unsinnigen Bauvorschriften ganz klar, da ist diese Einigkeit gelungen! Unnötige Baukostentreiber muss man ja den Mietern weiter verrechnen, und gerade Gemeinnützige wollen leistbaren Wohnraum schaffen! Doch wir unterscheiden uns in ganz vielen anderen Punkten: Natürlich werden die gemeinnützigen Bauträger niemals eine Schlichtungsstelle für Mietzins in Frage stellen, wir Privaten schon.
Sie wollen den Mieterschutz abschaffen?
Nein, Konsumentschutz ist Teil einer sozialen und demokratischen Gesellschaft. Aber die Grundlage ist nicht mehr realistisch! Ein Beispiel: Eisenerz, eine geschätzte 4.500 Seelengemeinde im Bezirk Leoben, ist die älteste Gemeinde Österreichs. Alle Jungen wandern ab. Ich darf vom Gesetz her dort die gleiche Wohnung um 40 Prozent teurer vermieten als in Wien Ottakring direkt an der U3. In Wien muss ich – aufgrund der hohen Grundstückspreise und Baukosten – das Haus aber viel teurer erwerben und sanieren . Kein Wunder, dass dann keiner mehr Geld in die Hand nimmt und saniert. Und die Wahrheit ist: das schützt sicher keinen Armen!
Warum?
Eine Schlichtungsstelle wird doch nicht aufgesucht, wenn ich die Wahl habe zwischen einem Matratzenlager um 350 Euro oder der Obdachlosigkeit. Sozial gefährdete Menschen sind abhängig von einem Dach über dem Kopf, die riskieren nichts. Sonst verlieren sie den Arbeitsplatz oder die Aufenthaltsgenehmigung. Das jetzige System verhindert Wohnbau und fördert miese Geschäftemacherei. Das will ich verhindern.
Die Stadt Wien entgegnet Ihren Vorwürfen, dass 10.000 Wohnungen im Jahr neu gebaut werden und ganz neue Stadtviertel entstehen, wie zum Beispiel Aspern.
Erstens reicht das nicht, zweitens geht sich das mit den Umweltschutzvorgaben nicht aus. Es ist auch nicht wirtschaftlich. In die grüne Wiese am Stadtrand Wohnsiedlungen zu setzen, bedeutet auch Unsummen in die Infrastruktur zu investieren. Für Private ist das keine Option. Es gibt genügend Möglichkeiten, in der Stadt, beim Kindergarten und an der UBahn, Wohnungen zu schaffen. Wenn man uns lässt.
Man lässt Sie nicht sanieren?
Am meisten fürchten sich Politiker in Wien offenbar vor dem Satz: „Liebe Anrainer, das Haus nebenan wird um zwei bis drei Stöcke höher.“Das ist lächerlich! Wir müssen akzeptieren – ob wir wollen oder nicht – dass wir wachsen, auch in die Höhe. Wenn man nicht will, dass unsere Kinder täglich über Obdachlose drüber steigen müssen oder sich Ghettos bilden, dann muss man höheren Gebäuden in der Stadt zustimmen. Und damit auch die Flächenwidmung in Wien ändern.
Glauben Sie an eine Lösung?
Sagen wir so: Ich hoffe auf Einsicht! Ich zähle auf „Machtworte“, zum Beispiel vom Bürgmeister! Und auf den Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, der die Situation auch als ehemaliger Banker gut kennt. Expertenrunden und Diskussionen auf allen anderen Ebenen dauern ewig, die hatten wir schon. Alle Vorschläge liegen am Tisch! Wenn jetzt nichts passiert, sind wir wieder vor hundert Jahren angekommen!