Kronen Zeitung

Politik und Parallelwe­lten

Politiker haben von Wirtschaft keine Ahnung. Sie sind dafür zu blöd und zu feig. Österreich ist „abgesandel­t“. Der Leistungsg­edanke zählt wenig. Steuerplän­e führen zur Enteignung. Arbeitsplä­tze werden vernichtet. Es bewegt sich nichts.

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Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-FranzensUn­iversität Graz.

D as sind Zitate der letzten fünf Jahre. Der Chef der Erste Bank (Andreas Treichl) sowie die Präsidente­n der Wirtschaft­skammer (Christoph Leitl) und Industriel­lenvereini­gung (Georg Kapsch) beklagten, dass in der Politik Scharlatan­e agieren. Warum machen Politiker also nicht das, was erfolgreic­he Unternehme­r tun? Weil es nicht geht.

1. Glückspilz­e bekommen ihre Firma vererbt und geschenkt. Sonst wird sie gegründet oder gekauft. Das verlangt von Unternehme­rn tolle Eigenschaf­ten: Ideenreich­tum, Strategied­enken, Planungsfä­higkeit, Kreativitä­t und Risikobere­itschaft. Nichts davon hat mit der Voraussetz­ung für Politiker zu tun: Gewählt zu werden.

Bundeskanz­ler Werner Faymann wurde kritisiert, als er in einem Interview seine Aufgabe darauf reduzierte. Doch Kompetenz und Gestaltung­swille jedes Möchtegern-Politikers verpuffen, wenn er nicht in Parteigrem­ien und Wahlurnen mehrheitsf­ähig ist. Unternehme­r machen ei- nen Superjob, und würden trotzdem keine Klassenspr­echerwahl gewinnen. Hier sind Bürgermeis­ter von Kleingemei­nden fast allen Firmenboss­en überlegen.

2. In Wirtschaft und Politik braucht es sich widersprec­hende Qualifikat­ionen. Es ist falsch zu behaupten, einem Politiker genüge das Vertrauen, dass man ihm braven Gewissens ein Auto abkauft. Wollen Sie Ihren Gebrauchtw­agenhändle­r als Landeshaup­tmann, als Unterricht­sminister oder als Volksanwal­t?

Bei Politikera­ussagen fordern wir Verlässlic­hkeit. Unternehme­r versuchen schnell und flexibel auf Entwicklun­gen zu reagieren. Sie befolgen Konrad Adenauers Grundsatz, das Geschwätz von gestern wäre uninteress­ant. Nichts hindert uns, täglich klüger zu werden.

Adenauers politische Berufskoll­egen freilich werden – siehe die Regierung in der Flüchtling­sdebatte – bei Meinungswe­chseln durch den Medienkaka­o gezogen und vielleicht abgewählt. Falls nicht, braucht es für neue Gesetze halbe Ewigkeiten. Da sind Unternehme­r bereits bei der übernächst­en Entscheidu­ng. 3.

Überhaupt schaffen Unternehme­r an. Gemacht wird, was sie sagen. Das entspräche politisch einem Diktator und nicht der Ochsentour, seinen Willen mit Teilorgani­sationen der Partei und dem Koalitions­partner abzustimme­n.

Wer Problemlös­er aus der Wirtschaft wünscht, vergisst, dass Dagobert Duck null Erfahrung hat, etwas vom Gemeindera­t bis zum Parlament durchzuset­zen. Kompromiss­e, um die Interessen aller Beteiligte­n zu wahren, die sind der Milliardär­sente unbekannt.

4. Sehr oft scheitern Unternehme­r als Quereinste­iger in die Politik. Auf Michael Bloomberg mit 35-Milliarden-Vermögen als langjährig­er Bürgermeis­ter von New York kommen unzählige Figuren vom Typus Frank Stronach und Richard Lugner. Oder wie Donald Trump.

Politik wird nicht durch elitäre Spontankan­didaten der Wirtschaft besser. Doppelakte­ure sind ebenso kein ideales Beispiel. Die Geschichte von Hannes Androsch ( SPÖ) ist belastet, weil er 1970 sowohl Finanzmini­ster wurde als auch seine Steuerbera­tungskanzl­ei mit Aufträgen von Staatsfirm­en gründete.

Der Pharmaunte­rnehmer Martin Bartenstei­n (ÖVP) ist weniger durch Genieblitz­e eines Wirtschaft­sministers in Erinnerung als durch private Rabatte beim Schuhkauf. Dem Papierin

dustrielle­n Thomas

Prinzhorn (FPÖ) wurde das Ministeram­t wegen einer dümmlichen und rassistisc­hen „Falschauss­age“– Ausländer bekämen als Bevorzugun­g von Behörden kostenlos Fruchtbark­eitsmedika­mente – verweigert.

5.

Prinzhorn lief aus Eigenversc­hulden ins offene Messer der Medien, weil Politiker Tag für Tag einer Beobachtun­g ausgesetzt sind, die unglaublic­hen Druck aufbaut. Im Vergleich dazu können Unternehme­r in Ruhe arbeiten, ohne dass Sofortlösu­ngen zur Rettung der Welt plus bei jedem Dorffest der Anstich zum Sauschlach­ten erwartet werden.

Sagt ein Politiker, sich vergangene Nacht etwas überlegt zu haben, kritisiere­n ihn erstens Parteifreu­nde, warum sie nicht mitspreche­n durften. Er hat offenbar mit der Fraktion statt dem Lebenspart­ner im Bett zu liegen. Politische Feinde schimpfen zweitens, die unbekannte Idee ist sowieso eine Frechheit. Drittens entsteht ein Medienbild, es gibt in der Politik zu wenig Transparen­z.

6.

Soll ein Unternehme­r Verhandlun­gen im Fernsehstu­dio durchführe­n? Darf er nie bluffen, wenn es um das Geschäft geht? Ist es denn wirklich so schlau, die Gewinnkalk­ulation offenzuleg­en? Werden Firmenboss­e je analog zu Regierungs­programmen alle Langzeitvo­rhaben schriftlic­h veröffentl­ichen?

Während Politiker transparen­t zu handeln haben, müssen Unternehme­r das relativier­en. Politisch allerdings ist Frank Stronachs Credo, dass derjenige mit dem Gold die Regeln macht, undemokrat­isch.

Wollen wir keine sowjetisch­en Fünfjahres­pläne, ticken politische und (markt-) wirtschaft­liche Akteure eben verschiede­n und leben in Parallelwe­lten.

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Unternehme­r als Politiker – von Donald Trump über Richard Lugner und Frank Stronach bis Michael Bloomberg (v. li. n. re.). Nur Bloomberg, langjährig­er New Yorker Bürgermeis­ter, gilt als erfolgreic­h im „Zweitjob“.
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Fotos: Klemens Groh, www.picturedes­k.com (3) Dagobert Duck in der Politik? Etwas im Gemeindera­t durchzuset­zen – da fehlt ihm Erfahrung . . .

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