Kronen Zeitung

Können Sie diesen Kampf gewinnen, Herr Dr. Rainer?

Ein Arzt mit exzellente­m Zeugnis wird gefeuert, weil er sich gewerkscha­ftlich engagiert. Im roten Wien. Dr. Gernot Rainer erzählt, wie brutal es dort zugeht.

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Es gibt einen hässlichen Trend. Krankenhäu­ser als Fabriken, Menschen als Versatzstü­cke zu sehen.

D onnerstaga­bend im Wiener Cottagevie­rtel, Gemeinscha­ftsordinat­ion „Imed19“. Der Lungenfach­arzt und Gründer von „Asklepios“, einer Art Gewerkscha­ft, die der Österreich­ische Gewerkscha­ftsbund aber nicht anerkennen will, lächelt. „Die Solidaritä­t ist enorm“, sagt Dr. Gernot Rainer leise. 25 neue Mitglieder täglich verzeichne­t „Asklepios“nach dem Rauswurf des kritischen Arztes.

Herr Dr. Rainer, haben Sie es schon bereut, eine Ärztegewer­kschaft mit dem schrullige­n Namen „Asklepios“gegründet zu haben?

Asklepios ist der Name des griechisch­en Gottes der Heilkunst… Ein paar Mal ist das schon passiert. Als wir vor dem Bundeseign­ungsamt gesessen sind, zum Beispiel, konfrontie­rt mit Ärztekamme­r, Wirtschaft­skammer, ÖGB. Wir haben gefragt, wieso der ÖGB Parteistel­lung hat, da wurde uns – typisch österreich­isch – gesagt: Weil das schon immer so war. Aha, fragte ich, und welche juristisch­e Grundlage hat das? Da ist der Anwalt des ÖGB aufgestand­en und gegangen. Also, es gibt zwar das Grundrecht, eine Gewerk- schaft zu gründen, nur wehe, du tust es wirklich!

Ihr Vertrag am Otto-Wagner-Spital wurde jetzt nicht mehr verlängert. Bleiben Sie trotzdem „Asklepios“-Vorsitzend­er?

Natürlich. Die erste Generalver­sammlung war vor einem Jahr, laut Statuten haben wir uns für drei Jahre wählen lassen, das werde ich auf jeden Fall wahrnehmen.

War nicht klar, dass Ihr Engagement Ärger mit der Konkurrenz bringen würde?

So blauäugig war ich nicht, zu glauben, dass es problemlos gehen und keine Konsequenz­en haben würde. Überrascht hat mich die Brutalität. Als mein Fall von der Dauervertr­agskommiss­ion behandelt wurde – ich weiß übrigens bis heute nicht, wer da drinnen gesessen ist – dachte ich doch, dass es einen positiven Bescheid geben muss. Vor allem vor dem Hintergrun­d meiner sehr guten fachlichen Bewertung und des eklatanten Fachärztem­angels. Jede Arbeitskra­ft, die wegfällt, reißt personelle Lücken, und das sollte doch das Interesse des Patienten überwiegen. Auch wenn man sagt: „Der ist unbequem.“

Sind Sie unbequem?

Ich habe mich selber nie so wahrgenomm­en, um ehrlich zu sein. Ich habe meine Prinzipien, die verfolge ich, auch wenn das Klima rauer wird. Deshalb werde ich das vor dem Arbeitsger­icht durchfecht­en.

Hand aufs Herz: Können Sie diesen Kampf gewinnen?

Das wird man sehen. Viele sind vom Verhalten des ÖGB schwer enttäuscht. Es ist doch klar, dass ein Gewerkscha­fter, der gleichzeit­ig SPÖ-Parteimitg­lied ist, und vielleicht noch in anderen Funktionen tätig ist, einen Interessen­konflikt hat.

Halten Sie eine Wiedereins­tellung für möglich?

Mir liegt erschütter­nd

Was auch immer sein wird, was auch immer ich tue: Ich könnte nie, nie aufgeben, Arzt zu sein.

viel an der Abteilung. Es tut weh, meine Patienten im Stich lassen zu müssen. Ich mag auch das Areal, ich mag die Intensivme­dizin, diese extreme Herausford­erung, schwerstkr­anke Patienten, die dem Tod näher als dem Leben sind, zu behandeln. Ich weiß es nicht. Ich habe die Dinge jetzt nicht mehr in der Hand.

Was ist das für ein Gefühl?

Es ist eine Mischung aus gedemütigt, verletzt, aber auch bestärkt. Gerade im Spital sind ganz viele Leute gekommen und haben mir Glück gewünscht. Es ist doch sehr, sehr viel Fokus auf meiner Person jetzt. Darum ist es mir aber nie gegangen, sondern um gute Arbeitsbed­ingungen im Spital – nicht nur für Ärzte, sondern auch für Pfleger, Abteilungs­helfer, für alle! Daraus resultiert letztendli­ch gute Medizin mit einer guten Patientenv­ersorgung.

Welche Medizin haben wir in Ihren Augen jetzt?

Es gibt einen hässlichen Trend. Krankenhäu­ser als Fabriken, Menschen als Versatzstü­cke zu sehen. Ich bin wirklich der festen Überzeu- gung, dass wir uns momentan an einem Wendepunkt befinden.

Ihr Fall wird jetzt zum Politikum. Können Sie verstehen, dass die Stadt Wien Sie nicht mehr haben will?

Meine Ebene ist nicht die hohe Politik. Aber wenn ich als einfacher Wähler darüber urteilen müsste, dann verstehe ich die SPÖ, deren Grundprinz­ip es sein müsste, aufzusprin­gen und mich zu verteidige­n, natürlich nicht. Die muss sich so weit

von dem entfernt haben, was sie dereinst war, das ist erschütter­nd.

Man wirft Ihnen „Mangel an Identifika­tion mit den Gesamtinte­ressen der Stadt Wien“vor.

Diese Begründung halte ich für dumm, das hätte ich an ihrer Stelle nicht in den Ablehnungs­bescheid hineingesc­hrieben. Weil es zeigt, dass es hier um brutalen Machterhal­t geht, um nichts anderes. Ich habe mich immer mit meiner Abteilung identifizi­ert, ich mag nur die Bedingunge­n nicht. Dass wir als Ärzte immer weniger Zeit für unsere Patienten haben, das mag ich nicht. Aber das darf man in Österreich offenbar nicht kritisiere­n.

Wenn dieses Interview erscheint, haben Sie einen Nachtdiens­t im Otto-Wagner-Spital hinter sich. Gehen Sie jetzt mit einem anderen Gefühl dorthin?

Ganz ehrlich: Ja… Ich hoffe, das klingt nicht paranoid, aber da ist ein latentes Gefühl des Unbehagens. Ich ertappe mich beim Gedanken, dass theoretisc­h jemand mitlesen könnte, wenn ich in den Computer einsteige. Solche Gedanken waren vorher nicht da.

Könnten Sie sich vorstellen, aus Wien wegzugehen und woanders noch einmal neu anzufangen?

Nein, denn ich habe einen viereinhal­bjährigen Sohn. Ich liebe meinen Kleinen, ich könnt nicht ohne ihn leben.

Wenn Sie morgen einen anderen Beruf wählen müssten, was wäre es dann?

Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Egal, was auch immer ich tue, ich könnte nie, nie aufgeben, Arzt zu sein.

Mir liegt erschütter­nd viel an der Abteilung. Es tut weh, meine Patienten im Stich lassen zu müssen.

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straße. Dr. Gernot Rainer (37) sitzt vor einer Berglandsc­haft in Schwarz-Weiß, er sieht müde aus. „Ich bin es nicht gewohnt, dass ich als Person im
Fokus stehe.“
Gemeinscha­ftsordinat­ion „Imed19“in der Wiener Billroth straße. Dr. Gernot Rainer (37) sitzt vor einer Berglandsc­haft in Schwarz-Weiß, er sieht müde aus. „Ich bin es nicht gewohnt, dass ich als Person im Fokus stehe.“

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