Europa zeigt Herz
Tag eins nach den Terroranschlägen von Brüssel Österreicher entkamen der Katastrophe knapp EU-Hauptstadt will zur Normalität zurückkehren
Mit einem Ruck setzt sich die Garnitur in Bewegung. Es herrscht gespenstische Stille. Eine junge Frau tippt auf ihrem Handy herum, ein älterer Herr nimmt Platz. Seine Augen schließen sich. Langsam. Ist es Müdigkeit? Ein Stoßgebet? Oder gedenkt er der vielen Opfer, die auf derselben Linie 1 vor nicht einmal 24 Stunden ihr Leben verloren haben? Einerlei, denn Brüssel ist schon wieder aufgestanden, hat sich ab- geputzt und läuft weiter. Wie ein Kind, das über eine Wurzel stolpert und im Dreck landet. Sich den Schmerz aber nicht anmerken lassen will. Es ist Tag eins nach den verheerenden Anschlägen vom 22. März.
Während die U-Bahn wieder fährt, bleibt der Flughafen weiter gesperrt, die Stadt will so rasch wie möglich zur Tagesordnung übergehen.
Im Café Leopold, nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt, liegt wie zum Trotz eine aktuelle Ausgabe des französischen Satireblatts „Charlie Hebdo“auf dem Tisch. Daneben sitzt Thomas Peyker und liest eine Tageszeitung. Der Kärntner ist seit 1996 beim Auswärtigen Dienst der EU beschäftigt, kennt Brüssel wie seine Westentasche. „Es war natürlich ein Schock, weil man sich in relativer Sicherheit wiegte“, so der 49-Jährige zur „Krone“, „aber allen ist bewusst, dass das Leben weitergehen muss.“Brüssel, die Unerschrockene!
Kärntner entging dem „Todeszug“
Sie gilt als weltoffen, als Schmelztiegel der Kulturen. Die Hauptstadt Europas hat von den jüngsten Anschlägen gelernt. „Nach den Attentaten in Paris im November stand Brüssel wegen angeblicher Terror-
Ich habe heute schon ein mulmiges Gefühl. Aber das Leben muss einfach weitergehen – und ich zur Arbeit. Eine junge Frau in der U-Bahn
gefahr drei Wochen still. Jetzt, wo die Anschläge hier stattgefunden haben, versucht man rasch zur Tagesordnung überzugehen“, analysiert Peyker. Dabei hätte auch er im Todeszug sitzen können. „Ich fahre jeden Tag um diese Zeit mit der Linie 1 ins EU-Viertel. Aber mein Sohn hat Ferien, und ich habe Urlaub genommen.“
Die Druckwelle war enorm. Dann ist auch schon die gesamte Decke heruntergekommen. Augenzeuge Horst Pilger aus Salzburg