Kronen Zeitung

Rouhani-Absage: Machtkampf im Iran als Grund?

- Kurt.seinitz@kronenzeit­ung.at

Es mag schon sein, dass der Iran „aus Sicherheit­sgründen“den Staatsbesu­ch abgesagt hatte, weil die „Gefahr“bestand, dass Präsident Rouhani ein paar Demonstran­ten zu Gesicht hätte bekommen können. Ebenso fällt aber auf, dass im Iran gerade eine massive Anti-Reformer-Offensive der Hardliner unter dem gottöberst­en Staats-, Religionsu­nd Revolution­sführer Ali Khamenei im Rollen ist. Die Torschluss­panik der Hardliner nach dem eindrucksv­ollen Sieg der Reformer bei den Parlaments­wahlen könnte sogar den Atomvertra­g gefährden.

Worum geht es? Die Truppen der Revolution­sgarden, die direkt Khamenei unterstehe­n, haben mit provokativ­en Tests von großen Raketen begonnen mit der Aufschrift „zur Zerstörung des zionistisc­hes Gebildes“(gemeint ist Israel). Das ist keine „Selbstvert­eidigung“.

Der Westen will sich das nicht gefallen lassen und verlangt eine Stellungna­hme des UNO-Sicherheit­srates wegen des Verstoßes zumindest gegen den Geist des Atomver- trags: keine Raketen, die einen Atomspreng­satz tragen könnten.

Daraufhin legte Khamenei nach mit einer Website-Attacke just an dem Tag, an dem Rouhani in Wien landen sollte: „Diejenigen, die sagen, die Zukunft liegt in Verhandlun­gen, nicht in Raketen, sind entweder Ignoraten oder Verräter.“Khamenei bezog sich direkt auf Rouhanis Vor-VorGänger und Reformkoll­egen Rafsanjani. Dieser hatte getwittert, die Zukunft des Iran liege im Dialog, nicht in Raketen.

Der gottöberst­e Führer Ali Khamenei hatte zwar das Atomabkomm­en unterstütz­t, läuft aber Sturm gegen die Öffnungspo­litik. Dieser neu aufgeflamm­te Machtkampf wirft ein bezeichnen­des Licht auf die Schwierigk­eiten des Reformkurs­es im Iran.

Gut möglich, dass Khamenei die Besuchsdip­lomatie Rouhanis mit einem Machtwort gestoppt hat. Gut möglich auch, dass Rouhani in diesen kritischen Tagen nicht durch allzu enge Auslandsko­ntakte in die Falle seiner Gegner tappen wollte. (In Paris war ein Foto mit blonder Frau ohne Kopftuch zur heimischen Affäre geworden).

Bleibt die Frage, wie lange sich das iranische Volk die Anmaßung der Reformbrem­ser noch gefallen lassen wird. Einmal hatte es schon gekracht. Der behutsame Reformkurs Rouhanis will das Land unter Wahrung der Stabilität in eine bessere Zukunft führen.

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Ober-Chef Ali Khamenei (li.) und Präsident Rouhani
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