„Dieses Urteil ist eine Beleidigung der Opfer“
Kroatiens Außenminister über den Freispruch für Šešelj:
K ronen Zeitung“: Herr Minister, haben Sie sich vom Schock des Freispruchs schon erholt? Es ist ein zynischer Zufall, dass das Urteil des UNOKriegsverbrecher tribunals
am Tag des Kriegsbeginns vor 25 Jahren erfolgte . . .
Außenminister Kovač: ... und ausgerechnet Šešelj hatte mit seinen Freischärlerverbänden erheblich dazu beigetragen. Deshalb ist dieses Urteil ein Schock und eine Beleidigung für die Opfer und deren Nachkommen. Dazu kommt, dass die Werte, auf denen die europäische Staatengemeinschaft ruht, relativiert werden.
Was werden die Folgen sein?
Es werden die Kräfte in Serbien, die ohnehin eine Minderheit darstellen, entmutigt bei ihren Bemühungen um eine Bewältigung der Vergangenheit.
Wird es Auswirkungen geben für die EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens?
Serbien hat ein Gesetz, das sogenannte Kriegsver- brecherprozesse auch für Taten außerhalb Serbiens ermöglicht; es kann sozusagen als Richter über die jugoslawischen Nachfolgestaaten auftreten. Das ist nicht vereinbar mit dem Gedanken der Aussöhnung und gutnachbarlicher Zusammenarbeit. Kroatien er-
Außenminister Miro Kovač wartet, dass dieses Gesetz geändert wird. Serbien hat sich ja auf das Kosovo zubewegt, insbesondere im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen
Also von Versöhnung kann auch zwanzig Jahre nach Kriegsende keine Rede sein?
Ich möchte gerne die Beziehungen so ordnen, dass wir eine Plattform für eine besondere Partnerschaft -etwa wie zwischen Frankreich und Deutschland – bekommen, aber Serbien fehlt einfach die Einsicht für seine Verantwortung in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien. Das heißt nicht, dass wir jeden Tag auf die Serben zeigen wollen, nein wir wollen sie als Partner. Aber die Kriege wurden doch nicht in Serbien geführt, sondern in Slowenien, Kroatien, Bosnien, Kosovo, unter anderem von serbischen Freischär- lern, die maßgeblich durch Šešelj aufgehetzt worden waren. Für diese notwendige Konfrontation mit der Vergangenheit gibt es keine Einsicht in der serbischen Politik, scheinbar auch nicht in der jetzigen Führung.. Wir wollen, dass auch Serbien zur europäischen Familie kommt. Wir wollen dabei helfen.Dazu bedarf es jedoch klarer Definitionen. Langfristig bin ich Optimist.
Aber auch der letzte Wahlkampf in Kroatien mit der neuen Regierung damals noch in Opposition war mehr von der Vergangenheit als von der Zukunft geprägt gewesen.
Unsere Politik ist klar auf die Zukunft ausgerichtet, und die heißt: wirtschaftliche Entwicklung.
Und mit der Wirtschaft steht es in den jugoslawischen Nachfolgestaaten gar nicht gut.
Es gibt die Erfahrung, dass Völker, die mit ihrer Vergangenheit ins Reine gekommen sind, auch wirtschaftlich besser dastehen. Wir müssen unsere Kinder und unsere Nachkommen von den Ketten der Vergangenheit befreien; sie sozusagen psychotherapeutisch ausdiskutieren.
Auch Kroatien als das jüngste EU-Mitglied wartet seit Jahren auf den großen Wirtschaftsaufschwung. Warum klappt es einfach nicht?
Wir haben rechtzeitige Strukturreformen verschlafen, unter anderem deshalb, weil noch zu viel altes Denken aus der Jugoslawien-Zeit in den Köpfen sitzt. Wenn wir das Notwendige jetzt nicht durchführen – und die neue Regierung ist wirtschaftsorientiert – werden wir auf keinen grünen Zweig kommen.
Was wünschen Sie sich von Österreich?
Österreich ist ein guter Freund. Es hat sich in dem Jugoslawien zerfallsprozess frühzeitig für dieSel kb stbestimmung Kroatiens eingesetzt. Österreich ist unser viertgrößter Handelspartner. Wir wollen natürlich noch mehr Investitionen aus Österreich.
Die deutsche Regierung kritisiert, dass Österreich mit der Schließung seiner Gren-
zen vorsätzlich einen Dominoeffekt erzeugt hat, der zur Schließung der gesamten Balkanroute führte. Wie steht Kroatien dazu?
Die Kooperation, die Kroatien mit Österreich, Slowenien, Serbien und Mazdeonien entlang der Route hergestellt hat, ist vorbildhaft. Wir sind stolz darauf, dazu beigetragen zu haben, und ein Lob gebührt neben meinen Freund Sebatian Kurz auch dem slowenischen Regierungschef Cerar.
Es ist dieser Kooperation zu verdanken, dass damit nicht nur unseren Staaten geholfen wurde, sondern dass wir auch der Europäischen Union geholfen haben und nicht zuletzt Deutschland. Die Flüchtlingszahlen sind doch drastisch gesunken.
Wir müssen unsere Kinder und unsere Nachkommen von den Ketten der Vergangenheit befreien. Wir haben an der Balkanroute auch Deutschland geholfen.