Kronen Zeitung

Die Stunden vor Laurens Tod

Im Jänner wurde eine amerikanis­che Studentin in ihrer Wiener Wohnung ermordet. Ein Gambier, der bei ihr gelebt hatte, gilt als dringend tatverdäch­tig. In Verhören behauptet p er j jetzt: „ „Ich habe die Frau kaum gekannt.“

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In der Justizanst­alt Josefstadt gilt Abdou I. als „unauffälli­ger Häftling“.

Der Gambier gibt sich dort bewusst angepasst. Bedankt sich höflich bei den Wachebeamt­en, wenn er Essen oder ein Stück Seife bekommt. Plaudert bis spätabends freundlich mit seinen Zellengeno­ssen, zwei Nigerianer­n, über Nebensächl­ichkeiten.

Aber der 24-Jährige redet mit ihnen nicht über die ihm angelastet­e Tat.

Er könne Fragen zu dem Mord an Lauren Mann „nicht beantworte­n“, sagt er auch in Verhören. Weil er zum Zeitpunkt der Tat „gar nicht in Österreich gewesen“sei und das Opfer „ohnehin nur oberflächl­ich gekannt“habe.

Angaben, die zynisch und unglaubwür­dig klingen. Denn die Beweise gegen Abdou I. scheinen erdrückend.

Der „Fall Lauren“: Am 26. Jänner wurde die 25jährige Germanisti­kstudentin aus Amerika tot in ihrer Garçonnièr­e in WienWieden aufgefunde­n. Im Bett, in Bauchlage. Bloß mit Socken bekleidet. Ein schwarzes T-Shirt um den Kopf gewickelt. Gesicht in die Matratze gedrückt.

Die Frau, ist im Obduktions­befund zu lesen, wurde „gewaltsam erstickt, während oder kurz nach einem freiwillig­en oder unfreiwill­igen Geschlecht­sverkehr.“Mit Abdou I., wie an der Leiche sichergest­ellte Spermaspur­en belegen.

Was geschah davor? Wie – und mit wem – hat das Opfer die letzten Stunden seines Lebens verbracht?

Rückblick auf den 23. Jänner: Lauren kauft am Nachmittag in einem Supermarkt ein. Wein, Brot, Käse, Knabbergeb­äck, Zigaretten.

Am Abend soll in ihrer Wohnung eine kleine Party steigen. Sieben Männer sind dazu geladen; aus Afghanista­n, aus dem Iran, aus Gambia. Menschen, mit denen sie in Flüchtling­sheimen in Kontakt gekommen ist; die sie in Deutsch und Englisch unterricht­et, die sie mit Nahrung und Kleidung versorgt.

„Lauren hatte ein großes Herz für vom Schicksal Benachteil­igte“, erklärt eine Freundin der Verstorben­en, „und sie glaubte nur an das Gute.“

Vielleicht weil ihr selbst noch nie Schlimmes widerfahre­n war, bis zu ihrem grauenvoll­en Ende.

Eine unheilvoll­e Beziehung

Lauren, aufgewachs­en in Boulder, Colorado; in behüteten, bestens situierten Verhältnis­sen. Nach der Highschool studierte sie Französisc­h und Musik.

2013 übersiedel­te sie nach Wien, inskribier­te an der Uni, lernte fleißig, jobbte als Kindermädc­hen, wurde zudem von ihren Eltern finanziell unterstütz­t.

Flog oft in die USA, um ihre Familie und ihre Jugendlieb­e zu sehen, und regelmäßig kam ihr Freund auch zu ihr.

Zuletzt im Dezember 2015. „Schon damals“, erinnern sich Bekannte der Frau, „gab es deshalb Probleme mit Abdou.“

Die Studentin hatte den 24-Jährigen im vergangene­n Herbst kennengele­rnt; er hatte ihr von der Ablehnung seines Asylantrag­s, aber nichts über seine Straftaten in Deutschlan­d – Diebstähle und ein Vergewalti­gungsdelik­t – erzählt.

Grenzenlos das Mitleid der Frau für den weder des Schreibens noch Lesens mächtigen Gambier, der in seiner Heimat angeblich unter tristen Bedingunge­n auf der Farm seines Vaters und nebenbei als Taxifahrer gearbeitet und sich daher 2012 zum „Auswandern“entschloss­en habe.

Den Aussagen von Laurens Freunden zufolge sei sie

A Abdou schlief auf Laurens Couch. Sie kochte für ihn und wusch seine Wäsche.

Eine Freundin der Ermordeten Sie fühlte sich von ihm genervt. Weil er sie ständig wegen ihres Lebenswand­els kritisiert­e.

Bekannte des Opfers und des Täters

„unendlich bestürzt“gewesen, als er Mitte Dezember nach Italien, seiner ersten Station in Europa, abgeschobe­n wurde; „riesig ihre Erleichter­ung“, als er ein paar Tage später wieder in Österreich war.

Und sie beschloss, Abdou I. fortan vor den Behörden zu verstecken. Gab ihm den Zweitschlü­ssel zu ihrer Wohnung, er schlief auf der Couch, sie kochte für ihn und wusch seine Wäsche.

Während des Weihnachts­besuchs ihres Partners musste er allerdings das Quartier verlassen. Danach nahm sie den Gambier, voll des schlechten Gewissens, abermals bei sich auf.

Obwohl sie sich von dem strenggläu­bigen Moslem genervt fühlte; aufgrund der

Vorhaltung­en, die er ihr ständig wegen ihres „ausschweif­enden Lebenswand­els“machte.

Die Rekonstruk­tion des Verbrechen­s

Zurück zu der Nacht vom 23. auf den 24. Jänner: Natürlich ist Abdou I. bei Laurens Fest.

Viel wird dabei über einen baldigen weiteren Wien-Aufenthalt ihres amerikanis­chen Freundes geredet. Und über ihre bislang missglückt­en Versuche, für diesen Zeitraum eine Ersatzblei­be für den Gambier zu finden.

Mies gelaunt verlässt er um 23 Uhr die Party. Und er befindet sich in einem „aufgewühlt­en Zustand“, als er gegen 4 Uhr nachhause kommt und ein Brüderpaar aus dem Iran neben Lauren im Bett liegen sieht. Am Morgen: ein ge- meinsames Frühstück. Kurz nach 11 Uhr verabschie­den sich die beiden jungen Männer. Die Studentin ist nun mit Abdou I. alleine.

Fest steht: Eineinhalb Stunden später machte er sich mit dem Handy, dem Laptop und einem Ring des Opfers im Gepäck auf die Flucht. In die Schweiz. Anfang Februar konnte er dort in einer Asylunterk­unft festgenomm­en werden. Erst vor wenigen Tagen wurde der Gambier an Österreich ausgeliefe­rt.

„Ich verstehe nicht“, sagt er, „warum ich jetzt hier im Gefängnis sitzen muss.“

MeinM Mandant wirkt aufgedreht und eingeschüc­htert zugleich. Bislang war es mir noch nicht möglich, mit ihm über die Mordvorwür­fe gegen ihn zu sprechen.

Abdou I.s Anwältin Astrid Wagner

 ??  ?? Lauren als kleines Mädchen, in ihrer Heimat Colorado, mit ihrem Vater. Jetzt postet er auf der Facebook-Seite seiner verstorben­en Tochter über Gedenkmess­en für sie.
Lauren als kleines Mädchen, in ihrer Heimat Colorado, mit ihrem Vater. Jetzt postet er auf der Facebook-Seite seiner verstorben­en Tochter über Gedenkmess­en für sie.
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 ??  ?? Bilder vom Tatort: leere Flaschen, schmutzige Gläser. Am Abend vor dem Verbrechen hatte die 25-Jährige in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung eine Party für Flüchtling­e gegeben.
Bilder vom Tatort: leere Flaschen, schmutzige Gläser. Am Abend vor dem Verbrechen hatte die 25-Jährige in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung eine Party für Flüchtling­e gegeben.
 ??  ?? Das Opfer versteckte Abdou I. wochenlang vor den Behörden bei sich. Um ihn vor einer Abschiebun­g zu bewahren.
Das Opfer versteckte Abdou I. wochenlang vor den Behörden bei sich. Um ihn vor einer Abschiebun­g zu bewahren.
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Foto: Zwefo

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