Kronen Zeitung

Sensation oder Provokatio­n, Frau Duzdar?

Mit ihr hat Kanzler Kern die erste Muslimin in die Regierung geholt: Muna Duzdar, Staatssekr­etärin im Bundeskanz­leramt, im ersten Interview

- CONNY BISCHOFBER­GER

In der Volksschul­e habe ich geschwäche­lt, weil ich zuhause nur Arabisch gesprochen habe.

ImAmalient­rakt der Wiener Hofburg strömen Touristen über die Alexanders­tiege in die Räume des Sisi Museums. Gegenüber residiert die 37-jährige Muna Duzdar, neues Regierungs­mitglied im Kabinett Kern. „Es ehrt mich, in dem Zimmer arbeiten zu dürfen, in dem einst Johanna Dohnal gesessen ist“, erklärt die Staatssekr­etärin. Ist ihr Geist noch immer spürbar? „Sie meinen so eine feministis­che Aura?“Kurze Nachdenkpa­use, dann lächelt sie: „Warum nicht?“

Frau Duzdar, in London wurde ein Moslem Bürger- meister, in Wien wurden Sie Staatssekr­etärin. Sehen Sie eine Parallele?

Ich kenne den Londoner Bürgermeis­ter nicht persönlich, habe aber nur Gutes über ihn gehört. Ich gehe davon aus, dass er nicht Bürgermeis­ter geworden ist, weil er Moslem ist. Ich persönlich habe keine Parallele zu mir gezogen, aber auch ich will nicht darauf reduziert werden, dass ich Muslimin bin.

Trotzdem ist Ihre Ernennung eine kleine Sensation, für viele – Stichwort Israel – auch eine Provokatio­n. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Es ist normal, dass es darüber Diskussion­en gibt. Ich bin das erste Regie- rungsmitgl­ied mit Migrations­hintergrun­d – aber auch die erste Kaisermühl­enerin! – das ist natürlich etwas Besonderes. Deswegen bin ich aber nicht Staatssekr­etärin geworden, sondern weil ich eine entspreche­nde Ausbildung einbringe und schon länger in der Politik bin.

Wie fanden Sie Norbert Hofers Äußerung, er würde Sie nicht angeloben, wenn Sie Kopftuch tragen?

Deplatzier­t! Aber ich muss nicht alles kommentier­en, was Norbert Hofer sagt. Ich trage kein Kopftuch. Punkt.

Er hat es damit begründet, dass das Kopftuch ein Symbol für die Unterdrück­ung der Frau sei.

Das wird unterschie­dlich gesehen. Wie sehen Sie es? In einer demokratis­chen Gesellscha­ft herrscht Religionsf­reiheit, und wenn Frauen Kopftuch tragen wollen, dann soll es in ihrer freien Entscheidu­ng liegen, ob sie das tun oder nicht.

Es gibt den Vorwurf, Sie hätten eine Top-Terroristi­n nach Wien eingeladen, Sie haben das dementiert. Ärgern Sie sich über diese Angriffe?

Es sind Versuche von bestimmten politische­n Gruppierun­gen, Unwahrheit­en gegen mich zu verwenden. Ich finde das schäbig. Ich würde nie jemanden angreifen aufgrund seiner Herkunft oder aufgrund seines familiären Hintergrun­des.

Sie sind die Tochter von palästinen­sischen Einwandere­rn und Präsidenti­n der österreich­isch-arabischen Gesellscha­ft. Können Sie alle Religionen neutral vertreten?

Palästina ist kein Kultus, Palästina hat auch nichts mit dem Islam zu tun, es gibt ja auch sehr viele christlich­e Palästinen­ser. Jesus stammte auch aus Nazareth. Ich stehe auf überhaupt keiner Seite. Nie im Leben würde ich irgendeine Religion bevorzugen.

Ihre Bestellung sei ein wichtiges Symbol, hat Christian Kern gemeint. Wofür?

Für das Abbild der Gesellscha­ft in der Regierung. Ich denke, Christian Kern ist es darum gegangen, Frauen in der Regierung zu haben, und in meinem Fall eine Frau mit Migrations­hintergrun­d.

Sie sind zweisprach­ig aufgewachs­en, haben an der Pariser Sorbonne studiert, sind selbststän­dige Anwältin. Was ist Ihre Formel für gelungene Integratio­n?

Bildung, Bildung und noch einmal Bildung. Meinen Eltern war Bildung immer sehr wichtig. Ich habe geschwäche­lt in der Volksschul­e, weil ich zuhause nur Arabisch gesprochen habe, meine Eltern haben mir Nachhilfe gezahlt. Aber mit meinen Geschwiste­rn spreche ich Deutsch.

Der „Standard“hat geschriebe­n, weil Sie eine Frau seien mit Migrations­hintergrun­d, dezidiert links, eine Kritikerin Werner Faymanns, müssten Sie sich von ganz rechts und vom Boulevard auf etwas gefasst machen. Fürchten Sie das auch?

Ich gehe nicht davon aus, dass die Zeitungen automatisc­h negativ über mich schreiben, nein.

Würden Sie sagen, dass Sie

dem linkslinke­n Flügel der SPÖ angehören? Ich habe linke Positionen, und zu denen stehe ich, .

Waren Sie beteiligt am Putsch gegen Werner Faymann?

Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, darüber weiß ich nichts. Ich kann daher nicht sagen, was im Hintergrun­d gelaufen ist. Ich war nicht dabei. Wo waren Sie am 1. Mai? Auf dem Rathauspla­tz. Aber ohne Taferl.

Gerhard Zeiler hat im ORF erklärt, er habe seit einem Jahr mit Christian Kern den Wechsel geplant.

Ich glaube, dass das alles stark übertriebe­n wird. Putsch, Verschwöru­ng. Ich

kann nur sagen: Mir war davon nichts bekannt. Wird Kern die Grabenkämp­fe beenden können?

Ich bin überzeugt davon. Es gibt jetzt eine Aufbruchss­timmung in der Partei und auch in der Gesellscha­ft. Christian Kern hat den Zustand der SPÖ so beschriebe­n: „In der Sozialdemo­kratie gibt es die Doskozils und die Duzdars.“Ich finde, das ist ein sehr schönes Bild. Eines, das mich ehrt.

Wie würden Sie reagieren, wenn die ÖVP die harte Linie in der Flüchtling­spolitik fortsetzt oder sogar ausweitet?

In einer Demokratie entscheide­n die Mehrheiten, und wenn sich eine breite Mehrheit dafür entscheide­t, dann muss man das akzeptiere­n. Auch wenn sich die SPÖ Richtung FPÖ öffnen sollte?

Wir sollten uns der Diskussion nicht verschließ­en. Aber es muss eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung sein, wo es um Grundwerte geht. Mit der FPÖ soll man auf der Basis von Grundsätze­n diskutiere­n.

Putsch, Verschwöru­ng: Das wird übertriebe­n. Mir war davon jedenfalls nichts bekannt.

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Beim „Krone“-Interview am Freitagmit­tag: „Ich muss nicht alles, was Norbert Hofer sagt, kommentier­en.“

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