Minimunduserobert Europa
Islands Geheimnis: Nur 100 Profi-Fußballer
Als der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull – also genauer gesagt der große Asche-Ausstoß – den Flugverkehr über Nord- und Mitteleuropa lahmlegte, sorgte Island letztmals für internationale Aufmerksamkeit. Das war im März 2010. Ansonsten gilt die grüne Insel vor allem als Urlaubs-Paradies. Wer Reykjavik, die nördlichste Hauptstadt Europas, verlässt, fühlt sich in einer anderen Welt: Eisberge, Wasserfälle, Vulkane (18 aktive), Geysire, unendliche Natur.
Sollten tatsächlich Trolle und Elfen hier leben, woran einige auf der grünen Insel glauben, es dafür sogar ein Ministerium gibt, hätten sie viel Platz, sich zu verstecken. Nämlich fast 100.000 km2. Nur Vorsicht vor den 78.000 Pferden. Und der halben Million Schafe. Dabei gibt es nur rund 330.000 Einwohner. Damit ist Island der am dünnsten besiedelte Staat Europas.
Ist malerisch. Klingt idyllisch. So freute man sich über Erfolge im Sportfischen, stellte (pro Kopf gerechnet) bisher am häufigsten die Miss World und den stärksten Mann der Welt. A ber im Fußball war man stets ein Exot. Quasi Minimundus im Konzert der Großen. An 23 EModer WM-Qualifikationen in Folge gescheitert. Vor der Jahrtausendwende stets kläglich. Kein Wunder. Aufgrund des Klimas, wegen des Dauerregens dauert die Freiluft-Saison ja nur vier Monate. Das ist auch heute so. Aber kein Drama mehr. Weil in die Infrastruktur investiert wurde. Genauer in „Indoor-Arenen“, in riesige Fußball-Hallen. „Das war eine Offenbarung“, erinnert sich Teamchef Heimir Hall-
grimsson an die Revolution. Mittlerweile gibt es elf Fußball-Hallen mit Tribünen, 23 Kunstrasenplätze und 136 Mini-Plätze. In jedem Fischerdorf wird gekickt.
„Für uns ein Quantensprung“, sagt der 37-jährige Ex-Barça und Chelsea-Star Eidur Gudjohnsen. „Ich musste noch auf Schotter spielen. Jetzt gibt es auch bei uns das ganze Jahr perfekte Bedingungen.“Und dennoch fragt sich die ganze Welt: Wie macht(e) das Island? EURO-Ticket für Frankreich vor Holland und Türkei gelöst, binnen vier Jahren im FIFA-Ranking 100 Plätze gut gemacht. Ohne Profi-Liga, mit nur 15.000 registrierten Fußballern, davon nur 100 (!) Profis in ganz Europa verstreut. Also noch immer wie im Minimundus. Aber perfekt ausgebildet: „In allen Ländern trainieren die Eltern ihre Kids. Bei uns auch“, grinst Hallgrimsson. „Das ist der Unterschied.“Denn über 800 Isländer haben eine UEFA-Lizenz. So werden schon die Minis von Experten trainiert. Also ab der U 6. Auch in der Schule. Und dann suchen die Talente mit 16 Jahren das Weite. Meist in England oder Holland. „Da sind sie auf sich alleine gestellt, werden zu Kämpfern“, so Hallgrimsson. Der jetzt den Lohn dieser Aufbauarbeit miterntet. Denn diese Generation um Sigurdsson, Finnbogason und Gunnarsson ging diesen Weg, spielt seit Jahren zusammen, besiegte schon 2011 mit der U 21 Deutschland (mit Hummels, Boateng, Schürrle). Das war die Initialzündung. Höhepunkt ist die EURO in Frankreich. Begleitet von zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Nur die Pferde und Schafe bleiben daheim . . .