Wiederkehr einer Vollblutfrau
Wiener Staatsoper: „Manon Lescaut“mit Anna Netrebko
Jubel gab’s, wenn auch kurz, Blümchen von Fans und Kusshände dafür vom Publikumsliebling: Anna Netrebko ist wieder da und ließ sich nach ihrem Rollendebüt an der Staatsoper in Puccinis „Manon Lescaut“feiern. Trotzdem war der ganze Abend eher Repertoirealltag, gepflegt zwar, aber ganz und gar nicht aufregend.
Die großen Verdi-Partien, etwa die „Troubadour“-Leonore oder ihr Elsa-Debüt im Dresdner „Lohengrin“unter Christian Thielemann machen sich an Anna Netrebkos Stimme bemerkbar, wohl besonders bei Puccini. Verhaltene Moment klingen fahl, dramatische Ausbrüche dunkler, etwas angestrengt. Aber „die“Netrebko ist eine Vollblutfrau, die mit Darstellung vieles wettmacht, auch wenn ihr die Naivität der „Landpomeranze“Manon im ersten Akt fehlt, ihre Liebe zu De Grieux, ihre Gier nach Gerontes Geld und Geschmeide glaubt man, ihr Tod gefällt (im „ah non voglio morir“wird ihr Timbre heller, sinnlicher). Das rührt ihren geliebten De Grieux in Gestalt von Marcello Giordano zu Tränen. Giordano, der ebenfalls sein Rollendebüt an der Staatsoper feiert, ist ganz Routinier, solide, unaufdringlich und stimmlich präsent in tenoralen Höhen. Wenig überzeugend der Rest mit David Pershall als eher unscheinbarer Lescaut, Wolfgang Bankl als mafiöser, neureicher Geronte oder Carlos Osuna als angestrengter Edmondo.
Dirigent Marco Armiliato betreut musikalisch die Wiederkehr Netrebkos an die Staatsoper: Er spannt mit dem ausgezeichneten Staatsopernorchester mehrere kleine als einen großen dramatischen Bogen, fordert das Ensemble sowie den Chor bis an die Grenzen. Wohl hätte da ein wenig mehr Blickkontakt zu den Menschen auf der Bühne geholfen. Seltsamerweise blieb das berühmte Vorspiel zum dritten Akt blass, im symphonischen Mittelmaß. Gänsehauteffekte gab es in seiner handwerklich korrekten, biederen Deutung keine.
Das Spannungslose passt eigentlich ins Bild dieser Staatsopern-„Manon“. Robert Carsens Inszenierung zwängte das Geschehen in eine Shopping Mall: unter einem „Betondeckel“(eine Untat für die Akustik), schickte er ein dümmlich tänzelndes Volk von heute durch die Szenen, Ärmliche treffen da auf hörige Kinder des Mammons . . . Eigentlich nur zum Skartieren!