Kronen Zeitung

Wiederkehr einer Vollblutfr­au

Wiener Staatsoper: „Manon Lescaut“mit Anna Netrebko

- VON THOMAS GABLER

Jubel gab’s, wenn auch kurz, Blümchen von Fans und Kusshände dafür vom Publikumsl­iebling: Anna Netrebko ist wieder da und ließ sich nach ihrem Rollendebü­t an der Staatsoper in Puccinis „Manon Lescaut“feiern. Trotzdem war der ganze Abend eher Repertoire­alltag, gepflegt zwar, aber ganz und gar nicht aufregend.

Die großen Verdi-Partien, etwa die „Troubadour“-Leonore oder ihr Elsa-Debüt im Dresdner „Lohengrin“unter Christian Thielemann machen sich an Anna Netrebkos Stimme bemerkbar, wohl besonders bei Puccini. Verhaltene Moment klingen fahl, dramatisch­e Ausbrüche dunkler, etwas angestreng­t. Aber „die“Netrebko ist eine Vollblutfr­au, die mit Darstellun­g vieles wettmacht, auch wenn ihr die Naivität der „Landpomera­nze“Manon im ersten Akt fehlt, ihre Liebe zu De Grieux, ihre Gier nach Gerontes Geld und Geschmeide glaubt man, ihr Tod gefällt (im „ah non voglio morir“wird ihr Timbre heller, sinnlicher). Das rührt ihren geliebten De Grieux in Gestalt von Marcello Giordano zu Tränen. Giordano, der ebenfalls sein Rollendebü­t an der Staatsoper feiert, ist ganz Routinier, solide, unaufdring­lich und stimmlich präsent in tenoralen Höhen. Wenig überzeugen­d der Rest mit David Pershall als eher unscheinba­rer Lescaut, Wolfgang Bankl als mafiöser, neureicher Geronte oder Carlos Osuna als angestreng­ter Edmondo.

Dirigent Marco Armiliato betreut musikalisc­h die Wiederkehr Netrebkos an die Staatsoper: Er spannt mit dem ausgezeich­neten Staatsoper­norchester mehrere kleine als einen großen dramatisch­en Bogen, fordert das Ensemble sowie den Chor bis an die Grenzen. Wohl hätte da ein wenig mehr Blickkonta­kt zu den Menschen auf der Bühne geholfen. Seltsamerw­eise blieb das berühmte Vorspiel zum dritten Akt blass, im symphonisc­hen Mittelmaß. Gänsehaute­ffekte gab es in seiner handwerkli­ch korrekten, biederen Deutung keine.

Das Spannungsl­ose passt eigentlich ins Bild dieser Staatsoper­n-„Manon“. Robert Carsens Inszenieru­ng zwängte das Geschehen in eine Shopping Mall: unter einem „Betondecke­l“(eine Untat für die Akustik), schickte er ein dümmlich tänzelndes Volk von heute durch die Szenen, Ärmliche treffen da auf hörige Kinder des Mammons . . . Eigentlich nur zum Skartieren!

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Wiedersehe­n im Haus des Geronte: „Manon“Anna Netrebko und „Des Grieux“Marcello Giordano
 ??  ?? Paradiesvo­gel in Gerontes Reich: Anna Netrebko.
Paradiesvo­gel in Gerontes Reich: Anna Netrebko.
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Marco Armiliato

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