„Übermüdung kann zur Katastrophe führen“
Herr Professor Walzl, Nachtarbeit, Schichtdienste, nächtliches Arbeiten am Computer – welche Auswirkung hat dies auf unsere Gesundheit?
Walzl: Arbeit gegen die innere Uhr ist ein großes Problem. Wer am Stück 17 Stunden wach ist, reagiert so, als habe er 0,5 Promille Alkohol im Blut! Ständiger Wechsel zwischen Tagdienst, freien Tagen und Nachtarbeit macht dem Biorhythmus schwer zu schaffen. Man spricht vom „Schichtarbeiter-Syn- drom“mit anhaltenden Schlafstörungen, Depressionen, ja sogar einer erhöhten Gefahr von Prostataoder Brustkrebs.
Sie propagieren immer wieder das „Mittagsschläfchen“. Warum?
Walzl: Unabhängige Studien haben ergeben, dass es nach einer kurzen Schlafpause von 20 Minuten – nicht mehr –, dem sogenannten „Power Napping“, zu einem deutlichen Anstieg von Konzentration, Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit kommt.
Apropos: Stimmt es, dass Schlafstörungen ein großes Risiko in Straßenverkehr und Beruf darstellen?
Walzl: Definitiv! Wir wissen heute, dass zum Beispiel jeder vierte tödliche
Verkehrsunfall durch Schläfrigkeit am Steuer verursacht wird. Unsere Untersuchungen am LKH Graz lassen auf 50 Prozent übermüdete Fahrer im Lkw- und Bus-Verkehr sowie auf 30 Prozent schläfrige Pkw-Lenker in Österreich schließen! Die großen Industriekatastrophen der vergangenen Jahrzehnte wurden ebenfalls durch übermüdete Mannschaften ausgelöst: die AKW-Unfälle von
Tschernobyl und Harrisburg oder der Tankerunfall der Exxon Valdez, um nur drei Beispiele zu nennen. Abgesehen von menschlichem Leid: Das kostet auch ganz schön viel Geld. Wir schätzen, dass allein in Österreich pro Jahr vier Milliarden Euro aufgrund von Müdigkeit am Arbeitsplatz verloren gehen.
Wann sollte man einen Arzt konsultieren?
Walzl: Immer dann, wenn Dauer und Ausmaß der Ein- und Durchschlafstörung in keinem wirklichen Verhältnis zur Ursache stehen, der Alltag und die Befindlichkeit gestört werden. Bei organischen Schlafstörungen, wie etwa Schnarchen oder nächtlichen Atemstillständen, ist der Arztbesuch in jedem Fall anzuraten. Denn die Atemstillstände, so genannte Apnoen, führen zu
einem akuten Abfall der Sauerstoffversorgung, womit es zu einem starken Anstieg des Herzinfarktoder Schlaganfallrisikos kommt.
Wie viel Schlaf brauchen wir?
Das ist individuell sehr unterschiedlich: Sieben bis acht Stunden gelten als Normalwert. Nahezu 3000 der insgesamt 8760 Stunden eines Jahres, also rund 24 Jahre im Durchschnitt eines Menschenlebens, schlafen wir! Mit zunehmendem Alter nimmt der Schlafbedarf allerdings permanent ab, weil ältere Menschen weniger Energie verbrauchen. Wichtig ist dabei, dem Ruhebedürfnis nachzugeben und nicht gegen den Rhythmus zu leben, denn das macht krank! Ob man ein Morgen- oder Abendmensch ist, kann kaum beeinflusst werden.