„Dieses Rennen ist mein persönliches Highlight“
Toto Wolff, 44, österreichischer Investor und Teamchef bei Mercedes F1, fiebert dem Grand Prix auf dem Red-Bull-Ring entgegen, ließ dabei die „Krone“in sein Seelenleben blicken
Der schnellste Zirkus der Welt gastiert in Österreich. Bevor heute die Motoren für die ersten Trainings auf dem Red-Bull-Ring aufheulen, sprach Mercedes-Teamchef Toto Wolff über seine emotionale Bindung, die Fußball-EURO, Olympia, seine Piloten und böse Gremlins!
Toto, die Saison ist rund drei Monate alt, der ganze Zirkus war dabei schon auf wieder auf vier Kontinenten. Mit welchem Gefühl kommt man da in die Heimat nach Österreich?
Mit einem sehr angenehmen. Weil man das ganze Umfeld bestens kennt. Aber am Rennwochenende macht es wenig Unterschied, ob man in Melbourne, Abu Dhabi oder Spielberg ist – außer was die Hitze betrifft.
Österreich ist auch der Auftakt zu einem Supermonat mit vier Rennen . . .
Genau. Da bleibt keine Zeit zum Relaxen. Es geht Schlag auf Schlag.
Mercedes hat immer wieder mit kleinen Problemen an den Autos zu kämpfen. Wie nervig ist denn das?
Sehr ärgerlich. Wir haben ein schnelles, aber auch sehr filigranes Auto. Aber natürlich pushen wir bis ans Limit, daher haben wir an jedem Wochenende mehr Kopfzerbrechen, als dass wir easy durchgleiten können.
Seit dem letzten Comeback vor zwei Jahren hieß der Sieger jeweils Nico Rosberg. Ist der Red-Bull-Ring eine Mercedes-Strecke?
Ich denke schon. Österreich liegt uns, daher habe ich auch ein gutes Gefühl für den Sonntag. Aber wie gesagt: Es sind leider ein paar Gremlins im Auto. Und Ferrari, Williams und vor allem Red Bull schlafen nicht.
Fünf Siege in acht Rennen, zuletzt der Erfolg in Baku. Ist das Momentum wieder auf Rosbergs Seite?
Von Momentum würde ich zu diesem Zeitpunkt der Meisterschaft nicht sprechen. Beide müssen ihre bestmögliche Leistung abrufen und später im Jahr werden wir dann auf den Punktestand schauen.
Merkt man Hamilton eigentlich an, wann er sich in der Jäger- und wann in der Gejagten-Rolle befindet?
Lewis ist derzeit generell nicht ganz rund. Nach den tollen Rennen in Monaco und Montreal hatte er in Baku ein ganz schlechtes. Er hat einfach seinen Rhythmus noch nicht gefunden.
Ist der Vertrag mit Rosberg schon unterschriftsreif?
Beide Seiten wollen die Zusammenarbeit fortführen. Wir sind auf einem sehr
guten Weg. Aber alles muss genau durchdacht sein, daher wird’s mit dem Vollzug noch ein bisserl dauern.
Ganz Sport-Europa blickt in diesen Tagen zur FußballEURO nach Frankreich. Wie erlebst du dieses Ereignis?
Ich kann dem auch nicht entkommen. Zwar bin ich nicht der Oberfan, aber das Ausscheiden der Österreicher war schon enttäuschend. Ich hatte so gehofft, dass das Team die Leistungen aus der Qualifikation bestätigen kann. Aber man hat gesehen, dass man für ein Turnier noch mal eine Klasse mehr Qualität benötigt.
Dein Europameister-Tipp als Teamchef eines deutschenglischen Rennstalls?
Na ja, noch leide ich mit den englischen Kollegen. Nach dem Debakel gegen Island hab ich einigen von ihnen ein Mail mit dem Inhalt ,Wir können wenigstens Ski fahren’ geschickt. Antworten kamen nicht viele zurück. Aber eine war: ,Ski fahren kannst du gut mit Cricket vergleichen’. EURO-Tipp? Nach Österreich habe ich natürlich durch meine Mutter einen engen Bezug zu Polen. Und auch die Deutschen sind uns in diesem Team sehr nahe. Ich glaub, die schaffen’s auch.
Während die Formel 1 im August die Sommerferien genießt, laufen in Brasilien die Olympischen Spiele. Denkst du manchmal an einen olympischen Grand Prix?
Vorerst ist es einmal für unseren Wanderzirkus gut, wenn man sieht, dass es neben der Formel 1 auch andere Ereignisse gibt, die die Menschen faszinieren. Dass der Motorsport olympisch wird, kann ich mir nicht vorstellen, weil es da ja einen rein kaufmännischen Hintergrund gibt.
Zum Abschluss: Bernie Ecclestone hat zuletzt wieder einigen Veranstaltern die Rute ins Fenster gestellt. Siehst du Österreich aufgrund des nachlassenden Zuschauer-Interesses in Gefahr?
Erstens: Bernie entscheidet nicht, ob in Österreich gefahren wird. Solange Herr Mateschitz seinen Gegenwert hat, wird er dort auch fahren. Aber klar ist, dass das Einzugsgebiet nicht das größte ist, dass die Formel 1 auf dem RedBull-Ring durch die MotoGP Konkurrenz erhalten hat. Aber Bernie will mit solchen Aussagen prinzipiell Druck auf die Veranstalter ausüben.
Du persönlich kommst nach wie vor liebend gerne nach Spielberg . . .
Ja, klar. Der Österreich-Grand-Prix ist mein persönliches Highlight. Ich habe in der Gegend früher gearbeitet, bin hier die ersten Rennen gefahren – das ist also auch eine sehr emotionale Beziehung.