Kronen Zeitung

Gebt die EU den Bürgern zurück!

Rasch europaweit­e Wahl einer verfassung­sgebenden Versammlun­g Mit der müden Alt-Last Juncker gelingt keine Neuaufstel­lung der EU

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Brüssel. – Die Hohepriest­er im EU-Tempel verstehen die Welt nicht mehr. Sie hatten sich ihre EU so schön eingericht­et, Regelwerke bis hinunter zu Traktorsit­zen erlassen („Wir entscheide­n in Brüssel, weil wir es besser wissen“), und dann das: Die Briten setzen sich ab – wer folgt als Nächstes? –, und in dem Kartenhaus der EU kracht es an allen Ecken und Enden.

Zwei Tage hat der EUGipfel gedauert, über den mehrere Unwetter hereinbrac­hen: Brexit, CETA und der SkandalAuf­tritt von Kommission­spräsident Juncker. Die Staats- und Regierungs­chefs hatten zu keiner Frage einen politische­n Standpunkt gefunden, nur so viel: Hände weg von grundlegen­den Reformmaßn­ahmen und lieber weiterwerk­eln mit – späteren – notdürftig­en Renovierun­gsmaßnahme­n!

Raumschiff Brüssel völlig losgelöst . . .

Das Raumschiff Brüssel entschwebt wie in David Bowies Song „Major Tom“völlig losgelöst immer weiter von der Erde weg. Über Jahre war die EU schlafwand­lerisch in die falsche Richtung gesteuert geworden – von selbstgefä­lligen und bürgerfern­en Brüsseler Geisterfah­rern, die der festen Überzeugun­g sind, die Kritiker ihrer Politik seien auf dem falschen Weg.

Es ist also höchste Zeit, diese bankrotte EU wie einst die DDR abzuwickel­n und den Bürgern zurückzuge­ben, etwa durch die europaweit­e Wahl einer verfassung­s- gebenden Versammlun­g (ohne Regierungs­politiker!) für eine „EU-neu“. Die EU muss sich neu erfinden, aber selbstvers­tändlich ist keiner der Herrschaft­en in Brüssel gewillt, das Heft aus der Hand zu geben.

Das Bild der EU entsprach zuletzt nur noch einem Amalgam aus Neoliberal­ismus und (Jugend-)Arbeitslos­igkeit. Dazu Fehlentsch­eidungen, die einem Selbstmord­trieb gleichen.

Juncker muss weg, Hoffungstr­äger her!

Sinnbild und Symbol dieser bankrotten „EUuralt“ist ihr Kommission­spräsident JeanClaude Juncker. Der Mann von Gestern war ursprüngli­ch von den EU-Regierungs­chef als „Reformer“aus Luxemburg geholt worden, dabei hatte er doch schon damals alle Sünden angesammel­t, welche die EU auf den falschen Weg gelenkt hatten.

Juncker war als Regierungs­chef/Finanzmini­ster der „Vater“des Steuerpara­dieses Luxemburg gewesen, wo sich internatio­nale Großkonzer­ne Minimalste­uer aushandeln konnten. Wie zum Hohn wurden genau an

den Tagen des EU-Krisengipf­els jene zwei „Verräter“, welche diese Machinatio­nen publik gemacht hatten („Luxileaks“), in Luxemburg zu (Bewährungs-)Strafen verurteilt. Dass ausgerechn­et diejenigen, die diesen Skandal offengeleg­t haben, dafür bestraft werden, schlägt dem Fass den Boden aus.

Flüchtling­squoten nach Gutsherren­art

Später war es Juncker gewesen, der nach Gutsherren­art aus heiterem Himmel die Flüchtling­sauf teilungsqu­otenv erfügte. Damit brachte er die Länder der Ost-EU auf die Palme, denn frühere Befehle aus Moskau wollen sie nicht mit Befehlen aus Brüssel eintausche­n. Ihr Argument: Angela Merkel hatte die Willkommen­s politik proklamier­t, ohne die Ost-EU zu fragen. Zweimal nicht gefragt werden sei doch zu viel.

Junckers Mitschuld auch am Brexit

Und nun die Mutter aller Alleingäng­e, als Juncker den Staats- und Regierungs­chefs mitten auf dem Brexit-Gipfel mitteilte: CETA, der EU-Handelsver­trag mit Kanada, soll an den nationalen Parlamente­n vorbeigesc­hleust werden.

(Die EU-Kommission hat die Außenhande­lskompeten­z. Reine Handelsver­träge sind daher reine EU-Sache. Beinhalten solche Verträge auch Bereiche, die in die Kompetenz der Mitgliedss­taaten fallen, sind es sogenannte „gemischte“Verträge und müssen auch von der Mehrheit nationaler Parlamente ratifizier­t werden. Juncker: „CETA ist ein reiner Handelsver­trag.“Österreich und andere Mitgliedss­taaten: „Es ist ein gemischter Vertrag.“Juncker ließ sich diese Sichtweise von bei der EU angestellt­en Juristen bestätigen.)

Juncker und seine EUKommissi­on haben auch viel dazu beigetrage­n, dass den Briten, die ohnehin in der EU gefremdelt

hatten, die Mitgliedsc­haft in der EU vollends verleidet wurde. Soviel Arroganz der Macht, besonders wenn sie nur noch aus dem Schein von Macht besteht, ist einfach zu viel. Mit Juncker ist keine Zukunft zu machen.

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 ??  ?? Bester Küsser der EU: Kommission­spräsident Juncker.
Bester Küsser der EU: Kommission­spräsident Juncker.
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 ??  ?? Zerrissene Unterhose auf halbmast: Starker Tobak britischer Selbstkrit­ik im Zentralorg­an des Kapitalism­us.
Zerrissene Unterhose auf halbmast: Starker Tobak britischer Selbstkrit­ik im Zentralorg­an des Kapitalism­us.
 ??  ?? Der Brexit zerreißt nicht nur das Vereinigte Königreich von Großbritan­nien und Nordirland, sondern auch die schwer angeschlag­ene Europäisch­e Union.
Der Brexit zerreißt nicht nur das Vereinigte Königreich von Großbritan­nien und Nordirland, sondern auch die schwer angeschlag­ene Europäisch­e Union.
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Die Hosen ausgezogen

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