Traummännlein
„Der Aufzug fahrt heut gar so langsam“, sagte der pensionierte Magistratsbeamte Herbert J. zum Hausbesorger. „I hab jetzt vül länger wia sunst braucht, bis i von fünftn Stock herunt war. Wann se net a paar Spinnwebn in der Zugluft bewegt hättn, de was seit Monatn in dem Aufzug hängen, obwohl Se eahm angeblich jede Wochn reinigen, hätt i glaubt, er steht. Außerdem is de Lampn in dem Aufzug a Funzn. De brennt seit neuesten so schwach, dass i oft glaub, mei Körper hört bei de Knia auf. Wann i obeschau, siech i net amal mehr meine Schuach. Tuan S was dagegn. Das Reinigungsgeld is ka Geschenk des Hauses, Herr Hauswart.“
„Ja, des is halt, wamma a Lebn wia a Traummännlein führt“, entgegnete der Hausmeister. „Se warn scho früher tramhappert, wia S no ins Amt ganga san, aber seitdem S in Ruhestand san, mit aner Traumpension, de was mir zahln müassn, lebn S überhaupt nur mehr im Traum. Sie lesn ka Zeitung, Se habn kan Fernseher; drum wissn S nix von der Krise, und dass des Liacht möglicherweise demnächst scho wieder teurer wird. Es wird an allen Ecken und Enden gspart, aber so Leit wia Sie kriagn des ja überhaupt net mit. Unglaublich eigentlich!
Wegn der Wirtschaftskrise wird in unserm Haus seit einiger Zeit ein Drittel an Strom eingespart. Der Aufzug fahrt um a Drittel langsamer, die Glühbirnen san jetzt alle um a Drittel schwächer, des Dreiminutenliacht brennt nur mehr zwa Minutn, und beim Aufwaschn lass i a jede dritte Stiagn aus, weil an meiner Energie ja auch gespart werdn muass. Daher auch derzeit die Spinnwebn im Aufzug.
Also, bitte keine Kritik an mir oder meiner Arbeit. I tua genau des Richtige. I hab mi auf de Krise scho komplett eingstellt und hab an Gang zurückgeschalten. Des sollten Sie aa tuan. A bisserl mehr Interesse würd Ihna net schaden! Traummännlein haben ausgedient.“
Der sonst so ausgeglichene und geduldige Herbert J. wurde daraufhin fuchsteufelswild und verpasste dem Hausbersorger eine. Dieser fiel so unglücklich hin, dass er sich am Arm verletzte.
Ein Monat bedingt wegen Körperverletzung lautet das Urteil.