Kronen Zeitung

Wie Ikarus

- Robert.sommer@kronenzeit­ung.at

Was können wir dem österreich­ischen Olympiatea­m wünschen? Am Besten eine schnelle Medaille! Wenn’s leicht geht, schon heute.

Denn nichts lähmt eine Mannschaft mehr als chronische Erfolglosi­gkeit – da kann man von Individual­isten reden, was man will, die nur an ihre eigene Leistung denken. Aber ich habe schon wahre Egomanen des Sports erlebt, die bei Spielen von der kollektive­n Depression des ganzen Teams angesteckt wurden. Und sich so viel Druck machten, dass sie versagten.

Das Desaster von London 2012 war letztlich auch eine Folge dieser schrecklic­hen Epidemie: erster Tag ohne Edelmetall, zweiter, dritter . . . und am Ende zitterten alle wie bei einer schweren Grippe.

Das Olympia-Fieber grassiert eben erbarmungs­los. Aber es kann auch umgekehrt wirken: Siege gleich am Beginn machen die Teamkolleg­en richtig heiß auf noch mehr.

Das sind eben die viel zitierten eigenen Gesetze des größten Sport-Spektakels der Welt: Athleten verschiede­nster Diszipline­n verbringen diese Zeit auf engstem Raum miteinande­r, man begegnet sich im Dorf und unterstütz­t einander bei den Wettkämpfe­n – ein Davonlaufe­n ist fast unmöglich. Auch vor den Gefühlen des anderen nicht: Ansteckung­sgefahr 90 Prozent!

Gerade das macht auch den Mythos Olympia aus: diese einzigarti­gen Emotionen. Jeder Teilnehmer sollte sie zwar auskosten und genießen – aber wer sich ihnen völlig unkontroll­iert hingibt, verglüht daran. Wie Ikarus zu nahe an die Sonne flog, kann jedem Sportler auch das olympische Feuer gefährlich werden.

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