„Wo werden wir Zuflucht finden?“
„Was leistet der Körper in Zeiten der Krise?“Ismael Ivo, Weltstar des Tanzes und der Choreografie, Mitbegründer von ImPulsTanz, lange erfolgreicher Direktor der Tanzbiennale von Venedig, stellt sich an zwei Abenden für Karl Regensburgers ImPulsTanz 2016 diese Frage. Mit „Discordable – Bach“und „Black/Out“.
Heute, Samstag, tanzt Ivo selbst im Volkstheater sein „Discordable – Bach“– sein Partner ist der Cellist Dimos Goudaroulis, mit Bachs Suiten Nr. 2 und 5. Zum Finale folgt Ivos „Black/Out“mit der Biblioteca do corpo im Arsenal.
Im „Krone“-Gespräch nennt Ivo sein „Bach“-Solo einen „Dialog, der zum Kampf“wird. „Ich habe das Projekt als Lehrer im Reinhardt Seminar erprobt. Es geht um Konfrontation, von Fitness bis zum Boxen – Muhammad Ali war für mich ein ,Tänzer‘ in seinem Metier! Ich zitiere Shakespeares ,Sein oder nicht sein‘, und René Descartes’ ,Ich denke, also bin ich‘. Überall stößt man doch auf die Frage, ob wir in Europa noch sicher sind, wir noch Bewegungsfreiheit haben werden. Wo werden wir ankommen, wo Zuflucht finden? Existentielle Sorgen, an denen auch Tanz heute nicht vorbeigehen kann!“
Ins Dramatische verschiebt Ivo das mit 15 Mitgliedern seiner Biblioteca do corpo entwickelte Stück „Black/Out“– die Produktion ist übrigens eine Kooperation mit Hongkong: „Da haben mich der Dadaismus, das legendäre Zürcher Cabaret Voltaire und William Forsythe besonders inspiriert.“
Thema des „Black/Out“ist Géricaults berühmtes Gemälde „Das Floß der Medu-
sa“(1819) im Louvre. „Tänzerisch eine faszinierende Aufgabe, die Vorfälle rund um die ,Medusa‘ dazustellen. Tanzend zu analysieren. Was passiert in dieser Verlorenheit, dem Ausgesetztsein?
Den Flüchtlingen in ihren Schlauchbooten geht’s genauso. Ein hochpolitisches Thema!“
Parallel dazu arbeitet Ivo nach Pasolinis „120 Tage von Sodom“(mit Hans Kresnik)
an seinem berühmt gewordenen Tanzstück über den Maler Francis Bacon. Im Rahmen der Bacon-Ausstellungseröfffnung in der Staatsgalerie Stuttgart führt er „Bacon“auf.