Regierung lasst FPÖ wenig Luft
Kern & Co. drängen immer weiter nach rechts
Wien .–„ St rache verteidigt Kern !“Diese Schlagzeilen einiger Freitag-Zeitungen sind nur ein Beleg für den sich seit längerem abzeichnenden Rechtsruck der Regierung. Die von Ex-Kanzler Faymann eingeleitete Kurs korrektur inder Flüchtlings politik wird jetzt mit der harten Türkei-Linie des anfänglich als „eher links“geltenden Kanzlers Kern noch konsequenter fortgesetzt.
Bundeskanzler Christian Kern überraschte zu Wochenbeginn mit seiner Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache blieb Tage später nur noch die für einen Oppositionsführer ungewöhnliche Rolle, den SPÖ- und Regierungschef vor den massiven Angriffen aus Ankara in Schutz zu nehmen.
Um bei dem Wettrennen um die schärfere Anti-Türkei-Linie nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten, ergänzte Strache seine Kanzler-Verteidigung um den Zusatz, dass er sich freue, wenn „Kern mich kopiert“. So einfach lässt sich das jedoch nicht darstellen. Der Bundeskanzler führt seine Partei bereits seit Mitte Juli in eine pragmatische Richtung.
Nach dem Besuch bei Ungarns Premier Viktor Orbán erklärte Kern, dass es „Orbán nicht beeindrucken wird, wenn ich ihm erkläre, wie er sein Land führen soll“. Jeder habe seine Interessen. Unter anderem, dass „die ge-
meinsame Grenzsicherung funktioniert“. Kern gestand nach den Demonstrationen konservativer Türken in Wien auch ein, dass „die Integration offenbar nicht so gut funktioniert hat, wie man es lange erhofft hat“.
Doskozil verfolgt eine strikte Sicherheitspolitik
Mit dieser Linie lässt die Regierung den Freiheitlichen derzeit politisch kaum noch Luft. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) verfolgt bereits seit seinem Amtsantritt im Jänner einen sicherheitspolitisch strikten Kurs.
Doskozil drängte unmittelbar nach seiner Übernahme des Verteidigungsministeriums auf Rückführungen von Flüchtlingen mit „Hercules“-Heeresmaschinen, einen verstärkten Assistenzeinsatz durch das Bundesheer und ein strengeres Grenzmanagement.
Nach der Serie von TerrorAnschlägen erklärte Minister Doskozil unmissverständlich: „Rückführungen gehören rigoros umgesetzt. Der Rechtsstaat kann nur funktionieren, wenn die Gesetze und Regeln auch eingehalten werden. Die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre müssen endlich korrigiert werden.“
Sobotka und Kurz geben in ÖVP klare Linie vor
Eng wird der politische Spielraum für die Freiheitlichen auch durch die ÖVP, die mit Innenminister Wolfgang Sobotka einen erkennbar entschiedeneren Weg mit konkreten Vorschlägen eingeschlagen hat.
Etwa Sobotkas Vorschlag Anfang Juli zu einer radikalen Reform der Mindestsicherung nach deutschem „Hartz IV“-Vorbild oder einer Wartepflicht für Flüchtlinge bei der Arbeitsberechtigung beziehungsweise der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit.
Prominentester Vertreter einer konsequenten Politik in der Regierung ist Sebastian Kurz. Der Außenminister gibt dem Kanzler nicht nur in der harten Türkei-Linie volle Rückendeckung (siehe S. 6).
Der als Nachfolger von Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gehandelte ÖVP-Star sorgte im Juni mit seinem „australischen Insel-Modell“für Aufsehen. Demnach sollten Bootsflüchtlinge auf dem Meer abgefangen und auf Inseln gebracht werden. Minister Kurz: „Wer illegal versucht, nach Europa durchzukommen, soll seinen Anspruch auf Asyl in Europa verwirken.“
FPÖ-Chef Strache ringt nun um seine Poleposition in diesen Fragen und warnt: „Die Gefahr ist nicht vorbei. Im Gegenteil.“