Tonangeber
L Politiker bei Entscheidungen
ange war es üblich, dass Österreichs in Brüssel auf die Position der Deutschen geschielt und dieser dann zugestimmt haben. Bis zur Flüchtlingskrise.
Zwar war auch die österreichische Politik vom plötzlichen, nicht enden wollenden Menschenstrom, der sich unkontrolliert in Richtung Mitteleuropa bewegte, überrascht, und es hat deutlich länger als die sprichwörtliche Schrecksekunde gedauert, bis erkannt wurde, dass es so nicht weitergehen kann – aber dann hat die Regierung gehandelt und gemeinsam mit Slowenien, Kroatien und vor allem Mazedonien die Balkanroute abgeriegelt. Die deutsche Regierung reagierte empört – oder tat zumindest so, denn hinter vorgehaltener Hand war man schon sehr froh über das Versiegen des Flüchtlingsstroms.
Dieser Erfolg scheint etwas verändert zu haben im Selbstverständnis der politischen Akteure Österreichs im Umgang
mit Brüssel und Berlin. Sei es das klare Auftreten gegen CETA und TTIP oder die unmissverständlichen Aussagen von Kanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz zur Türkei und ihre Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Beides kommt weder im Kanzleramt in Berlin noch in Brüssel gut an.
Deutsche Medien hingegen reagieren durchaus mit Respekt. Österreich, heißt es etwa in Focus-online, sei früher ein Abnicker deutscher Entscheidungen gewesen – doch mittlerweile habe sich Wien „vom Mitläufer zum Tonangeber in der EU gemausert“.