Schau, die Miss Colombia!
Nairo Quintana hat mit der Vuelta seine zweite Grand Tour gewonnen – ganz Kolumbien träumt aber vom ersten Triumph in Frankreich
Nairo Quintana hat 29 Jahre nach dem legendären Luis „Lucho“Herrera als zweiter Kolumbianer die Vuelta gewonnen. Er schlug dabei erstmals bei einer Grand Tour Chris Froome. Der 26-Jährige wusste in den spanischen Bergen auf jede Attacke des bei der Tour de France noch schier übermächtigen Briten eine Antwort. „Froome hat mich mehrfach attackiert, auf den Abfahrten, auf den Anstiegen, selbst im Flachen. Ich wollte einfach Erster sein“, sprintete Quintana bei der letzten Bergankunft noch einmal demonstrativ am Sky-Kapitän vorbei.
Eine Attacke, die die Mentalität des Südamerikaners treffend beschreibt. Wäre er nicht Radprofi geworden, hätte er wie sein älterer Bruder Willington in der Armee gedient: „Das martialische Gen liegt uns seit 200 Jahren im Blut. Es entspricht meinem Wesen, die Rennen in einen Kampf zu verwandeln.“
Der König der Berge wird in seiner Heimat geradezu vergöttert. Auf YouTube findet man Lieder über ihn, es gibt Gedichte, in seinem Elternhaus wurde ein Museum eingerichtet. Wenn Quintana auf einer Trainingsfahrt einmal bei einem Café stoppt, bricht das Leben dort fast zusammen. B ei aller Liebe – es kursiert in Kolumbien tatsächlich ein Witz über ihn. Wann immer Nairo irgendwo auftaucht, flüstert jemand: „Schau, die Miss Colombia!“Es ist eine Anspielung auf die kolumbianischen Schönheitsköniginnen, die an den Miss-Universe-Wahlen nie über Platz zwei hinauskommen.
Der Giro- und Vuelta-Sieger wartet nämlich noch auf den ersten Triumph bei der Tour de France . . .