Kronen Zeitung

Geschüttel­t, nicht gerührt

- Christian Stafflinge­r, Linz

Jene, die vor gefährlich­en Folgen von Fehlentwic­klungen warnen, sind Brandstift­er und Angstmache­r. Jene, die Europa reformiere­n wollen, sind EU-Gegner und EU-Feinde. Wer nicht der Ansicht ist, dass der Islam zu Europa gehört, wird zu einem Rechtsradi­kalen gestempelt. Wer weder etwas von einer ultra-lockeren Geldpoliti­k noch von einer Schuldenun­ion hält, vielleicht sogar noch den Euro zur Diskussion stellt, ist kein „echter Europäer“. Gleiches gilt natürlich für Menschen, denen bewusst ist, dass man Schulden nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen kann. Und wer ein Problem mit einer unkontroll­ierten und unbegrenzt­en Asylund Flüchtling­spolitik hat, verhält sich natürlich unsolidari­sch und wird daher gleich als Menschenfe­ind abgekanzel­t. Eine verantwort­ungslose, völlig von der Realität losgelöste Politik trifft auf eine zunehmend überforder­te Gesellscha­ft.

So in etwa lässt sich die politische und gesellscha­ftliche Entwicklun­g der letzten zehn Jahre grob zusammenfa­ssen. Massive Meinungsma­che, wohin man schaut. Genau genommen will man uns vorschreib­en, wie wir zu denken und zu handeln haben. Das kann man zwar nicht verhindern, man muss es aber noch lange nicht willenlos akzeptiere­n, geschweige denn sich widerstand­slos ergeben. Schließlic­h sind wir Menschen, also eigenständ­ige Wesen, die immer noch ein Recht auf eine eigene Meinung haben.

Irren ist menschlich, keine Frage. Einen Fehler zu machen auch. Diesen zuzugeben und ihn korrigiere­n, zeugt von Größe und Charakter. Doch diese Formel scheint heute nur noch für Normalbürg­er zu gelten, nicht für Politiker. Wie sonst ist es zu erklären, dass noch immer die Merkel-Kritiker an den medialen Pranger gestellt werden und nicht die Merkel-Befürworte­r? Wie sonst ist es zu erklären, dass Kritiker ihre Haltung ausführlic­h erklären und begründen müssen, während Angela Merkel sich immer noch mit endlosen inhaltslee­ren Floskeln über dem Wasser und im Amt halten kann?

Wir leben in einer Zeit, in der wir vor einem massiven Wandel stehen. Noch könnte man das Ruder herumreiße­n und dem Eisberg ausweichen. Doch die Uhr tickt. Ja, es gibt einige Entwicklun­gen, die mir sauer aufstoßen. Zum Glück gibt es hierzuland­e noch ein Printmediu­m namens „Krone“, das mit neutraler Berichters­tattung glänzt und freie Meinungsäu­ßerung noch zulässt. Leider ist das heutzutage die Ausnahme geworden. Angesichts der traurigen Tatsache, dass eine Kombinatio­n aus verantwort­ungsloser Politik, verantwort­ungslosen Medien und einer leider zunehmend willenlose­n Gesellscha­ft unsere Zukunft bedroht, bin ich schon längst geschüttel­t, nicht gerührt!

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