Wenn Liebe entbrennt
Burgtheater: Goethes „Hermann und Dorothea“mit M. Happel und M. Schwab
Es gibt sie noch, die Sprache! Wer sich darauf einlassen will, der ist mit Johann Wolfgang Goethes lyrischem Idyll „Hermann und Dorothea“im Burgtheater bestens bedient: Maria Happel und Martin Schwab erfreuen sich dabei hörbar an dem Epos in neun Gesängen, haben sichtbar Lust an der Kunst der Hexameter.
Helden- wie tugendhaft ist die jungfräuliche Dorothea, die der reiche Sprössling Hermann in einem Flüchtlingstreck entdeckt. Er entbrennt in Liebe, möchte die Reine vom Fleck weg heiraten . . . Die Hochzeit muss aber neun Gesänge lang warten: Der Vater scheint mehr auf Mitgift erpicht („ . . . die Liebe vergeht“); die Mutter, zwar einverstanden, lässt aber doch durch den befreundeten Pfarrer und den Apotheker Erkundigungen über die Fremde einholen.
Ein nur anrührendes Epos? Ja und nein! Goethes Lied in neuen Teilen (die immer wieder bildende Künstler inspirierten und nach den Musen Kalliope, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Polyhymnia, Klio, Erato, Melpomene und Urania benannt sind) hat immer Gültiges, auch für unsere modernen Zeiten Zutreffendes wie Flucht, Ressentiments, Zivilcourage (Dorotheas), Appelle an das Mitgefühl. „Gelöst sind die Bande der Welt.“Wie wahr, wie gültig, was Dorothea ob ihres Schicksals feststellt.
Ein Meer aus (elektrischen) Teelichtern, zwei Tische, ein Klavier und eine Stehleiter mit den Blumenkränzen der Musen: Alfred Kirchner hat für die beiden Burggrößen Maria Happel und Martin Schwab auf weiter Fläche einen Ort der Poesie geschaffen, an dem das Wort Platz hat. Es wird gelesen, rezitiert, auch sinniert und innegehalten. Kurz begibt sich Happel auch zum Piano: Wehmut klingt an, und Schmerz wird spürbar. Im achten Gesang ruft Goethe die Musen um Hilfe für eine Verbindung des Paares an. Ein Flehen, das wohl allen wie auch Happel und Schwab nützt. Und doch bleibt der Wille des Menschen, wie Dorothea am Ende feststellt, Sieger: „Wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet sich die Welt.“