Puppen, Gondeln und der Teufel
Volksoper: Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“; Renaud Doucet & André Barbe
Lieben Sie’s in der Oper bizarr, exaltiert und voll surrealem Schauvergnügen mit höllischen Akzenten? Dann sind Sie bei dieser Neuproduktion von Jacques Offenbachs phantastischer Oper „Hoffmanns Erzählungen“in der Volksoper richtig. Renaud Doucet & André Barbe entführen in die düstere Welt der Seelenverkäufer.
Jubel und Ovationen nach dieser Offenbach-Premiere bestätigten: Das ist eine Inszenierung, wie sich das Publikum „Hoffmann“vorstellt. Kein spekulatives Regietheater, kein Hoffmann, der Olympia in einer Hightech-Maschinenhalle lieben muss, keine Giulietta, die Schnitzel bäckt . . . Schauvergnügen ist angesagt, in dem Hoffmann seine IdolFrauen zu umgarnen versucht, ohne zu merken, dass sie dem Teufel zuarbeiten.
Barbe baute eine historische Bühne auf der Bühne, eine verrottete Prunkloge, einen riesigen surrealen Kopf voll Räderwerk in Luthers Weinkellerei. Golden schimmert das Portal als Entrée zum venezianischen Casino. Der Portalrahmen wird zum Spiegel, an den Hoffmann sein Bild verliert, nachdem er Peter Schlemihl im Duell erstochen hat. Und durch die Szenen tanzten absurde Gestalten, technische Wunderpuppen, dämonische Verführer und glitzernde Lustpuppen im Venedigakt, der mit Meereswogen und schwebenden Gondeln zum Schau-Höhepunkt wird. Dass Doucet die Ouvertüre vom Teufel unterbrechen lässt, der Hoffmann als Widersacher vor sich her treiben will, ist überflüssig. Die Besetzung erfüllt nur teilweise die Anforderungen der Partitur. Gerrit Prießnitz hat mit dem Volksopernorchester solide gearbeitet. Französischen Klang zu beschwören, gelingt nicht immer. Auch wegen der deutschen Sprache, die den Text Jules Barbiers hölzern wirken lässt. Man spielt von den vielen vorhandenen Fassungen – von Mahler, Max Reinhardt, Friedell und Felsenstein bis zu Fritz Oeser – die von Kaye & Keck mit den Rezitativen. Und das ist so in Ordnung. Die Besetzung der Titelpartie mit dem Deutschen Mirko Roschkowski ist stimmlich solide und sicher. Nobel im Ausdruck. Aber etwas bieder. Das ist kein Wirrkopf voll Sehnsucht und Verzweiflung (wie etwa Neil Shicoff); und Juliette Mars ein nicht sonderlich überzeugender Niklaus.
Beate Ritter brilliert koloraturensicher als Olympia. Ein überzeugendes Automatenwesen. Verlässlich AnjaNina Bahrmanns Olympia, ausgezeichnet Kristiane Kaisers Giulietta.
Josef Wagner singt die Bösewichte Lindorf, Coppelius, Mirakel, Dapertutto profiliert, mit dämonischer Ausstrahlung. Christian Drescher ist der korrupte, skurrile Diener: Cochenille, Franu und Pitichinaccio. Verlässlich Karl-Michael Ebner (Spalanzani), Stefan Cerny (Luther/Krespel), Martina Mikelić (Mutter) und alle anderen.