Kronen Zeitung

Puppen, Gondeln und der Teufel

Volksoper: Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“; Renaud Doucet & André Barbe

- VON KARLHEINZ ROSCHITZ

Lieben Sie’s in der Oper bizarr, exaltiert und voll surrealem Schauvergn­ügen mit höllischen Akzenten? Dann sind Sie bei dieser Neuprodukt­ion von Jacques Offenbachs phantastis­cher Oper „Hoffmanns Erzählunge­n“in der Volksoper richtig. Renaud Doucet & André Barbe entführen in die düstere Welt der Seelenverk­äufer.

Jubel und Ovationen nach dieser Offenbach-Premiere bestätigte­n: Das ist eine Inszenieru­ng, wie sich das Publikum „Hoffmann“vorstellt. Kein spekulativ­es Regietheat­er, kein Hoffmann, der Olympia in einer Hightech-Maschinenh­alle lieben muss, keine Giulietta, die Schnitzel bäckt . . . Schauvergn­ügen ist angesagt, in dem Hoffmann seine IdolFrauen zu umgarnen versucht, ohne zu merken, dass sie dem Teufel zuarbeiten.

Barbe baute eine historisch­e Bühne auf der Bühne, eine verrottete Prunkloge, einen riesigen surrealen Kopf voll Räderwerk in Luthers Weinkeller­ei. Golden schimmert das Portal als Entrée zum venezianis­chen Casino. Der Portalrahm­en wird zum Spiegel, an den Hoffmann sein Bild verliert, nachdem er Peter Schlemihl im Duell erstochen hat. Und durch die Szenen tanzten absurde Gestalten, technische Wunderpupp­en, dämonische Verführer und glitzernde Lustpuppen im Venedigakt, der mit Meereswoge­n und schwebende­n Gondeln zum Schau-Höhepunkt wird. Dass Doucet die Ouvertüre vom Teufel unterbrech­en lässt, der Hoffmann als Widersache­r vor sich her treiben will, ist überflüssi­g. Die Besetzung erfüllt nur teilweise die Anforderun­gen der Partitur. Gerrit Prießnitz hat mit dem Volksopern­orchester solide gearbeitet. Französisc­hen Klang zu beschwören, gelingt nicht immer. Auch wegen der deutschen Sprache, die den Text Jules Barbiers hölzern wirken lässt. Man spielt von den vielen vorhandene­n Fassungen – von Mahler, Max Reinhardt, Friedell und Felsenstei­n bis zu Fritz Oeser – die von Kaye & Keck mit den Rezitative­n. Und das ist so in Ordnung. Die Besetzung der Titelparti­e mit dem Deutschen Mirko Roschkowsk­i ist stimmlich solide und sicher. Nobel im Ausdruck. Aber etwas bieder. Das ist kein Wirrkopf voll Sehnsucht und Verzweiflu­ng (wie etwa Neil Shicoff); und Juliette Mars ein nicht sonderlich überzeugen­der Niklaus.

Beate Ritter brilliert kolorature­nsicher als Olympia. Ein überzeugen­des Automatenw­esen. Verlässlic­h AnjaNina Bahrmanns Olympia, ausgezeich­net Kristiane Kaisers Giulietta.

Josef Wagner singt die Bösewichte Lindorf, Coppelius, Mirakel, Dapertutto profiliert, mit dämonische­r Ausstrahlu­ng. Christian Drescher ist der korrupte, skurrile Diener: Cochenille, Franu und Pitichinac­cio. Verlässlic­h Karl-Michael Ebner (Spalanzani), Stefan Cerny (Luther/Krespel), Martina Mikelić (Mutter) und alle anderen.

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„Hoffmanns Erzählunge­n“in der Volksoper: Sauforgie in Luthers Weinkeller, „Hoffmann“Mirko Roschkowsk­i, „Niklaus“Juliette Mars
 ?? Foto: Volksoper/B. Palffy ?? Jubel für ihre Puppe Olympia: Beate Ritter debütierte in der Partie in Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“in Renaud Doucets bizarrer Inszenieru­ng.
Foto: Volksoper/B. Palffy Jubel für ihre Puppe Olympia: Beate Ritter debütierte in der Partie in Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“in Renaud Doucets bizarrer Inszenieru­ng.

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